
Mainz – Seit März 1990 arbeitet der 56-jährige Aris Donzelli beim ZDF. Besonders bekannt ist er durch seine Livekommentare im Motorsport, Tennis, Fußball und selbstverständlich auch im alpinen Skirennsport.
Wir von skiweltcup.tv unterhielten uns mit einem äußerst fachkundigen und sympathischen Berufskollegen über die abgelaufene Ski-Saison, das deutsche Team, Emotionen im Stile einer Lindsey Vonn und vieles mehr.
skiweltcup.tv: „Herr Donzelli, was für die eine ein Novum und für den anderen eine Routine war, beschreibt in treffenden Worten den Gewinn der großen Kristallkugeln seitens Lara Gut und Marcel Hirscher. Würden Sie dies auch so sehen?“
Aris Donzelli: „Trifft es auf den Punkt. Lara Gut hat die härteste Saison ihres Lebens hinter sich – und das auch genauso formuliert. Jeder hat erwartet, dass sie gewinnt. Den Biss und die Konzentration über Monate zu halten, in denen sich vermeintliche Konkurrentinnen verletzt verabschieden, neue bedrohlich nahe kommen ist eine besondere Leistung.
Marcel Hirschers Einsatz ist nach der Verletzung von Svindal in Kitzbühel auch nicht erlahmt. Wie der durchzieht ist manchmal unmenschlich – aber trotzdem: Ja, sein Gesamtsieg war Routine wenn auch extrem harte, aber das braucht er glaub ich auch.
skiweltcup.tv: „Wie beurteilen Sie aus objektiver Journalistensicht die Leistungen der DSV-Athletinnen und -Athleten? Ist bei stählernen Nerven von Fritz Dopfer in der nächsten Saison ein Sieg drin, und kann Andreas Sander etwa aufs Podest fahren?“
Aris Donzelli: „Beim Finale in St. Moritz lief ich Richtung Zielraum – und direkt in Fritz hinein. Mal abgesehen davon, dass ich ihn menschlich sehr schätze und es mir ganz bestimmt auch sehr leidtut, dass er aus den Möglichkeiten, endlich einen Weltcupsieg zu holen, am Ende nichts gemacht hat: Man kann das schon kritisch betrachten, findet aber kaum Ansätze, weil Fritz Dopfer selbst schon stark reflektiert und nach Lösungen sucht und sie auch sofort kundtut. Das hat er an jenem Sonntag auch gemacht. Die Analyse hat schon begonnen. Er wird daran arbeiten, seine Schwünge nicht zu lang werden zu lassen. Also: Ja, ein Sieg ist natürlich drin. Er hat ja das Ski fahren nicht verlernt.
Andreas Sander ist hat eine tolle Saison hingelegt, sich gesteigert und sich dann stabilisiert. Mir imponiert sehr, wie schnell er – und das eint ihn wiederum mit Fritz – nach einer Abfahrt oder einem Super-G wirklich auf den Punkt genau sagen und erklären kann, wo er seinen Fehler gemacht hat. Und wenn unser ZDF Experte Marco Büchel, der wie ein Luchs auf jede Kleinigkeit achtet, dann doch manchmal überrascht wird – passiert extrem selten – dann spricht das auch für Andreas Sander. In der nächsten Saison ist er reif für einen Sieg!

skiweltcup.tv: „Eine Zwischenfrage privater Natur: Sind Sie auch, sofern es Ihre gewissermaßen knapp bemessene Zeit als ZDF-Skikommentator zulässt, gerne auf den Skiern unterwegs?“
Aris Donzelli: „Ja, bin ich! Nicht so rennmäßig wie mein Kommentatorkollege Michael Pfeffer, aber gerne. Und am liebsten in den Dolomiten. Da wird eine Fahrt immer mit einer schönen Hütte belohnt. Derlei Ausflüge sind im alpinen Skizirkus eher selten, aber manchmal nutzen wir die Zeit nach einer Übertragung und fahren im kleinen Team noch eine Runde. Das macht den Kopf frei, und oft ist es auch lehrreich: Da kritisiert man die Weltstars und fährt selbst so unfassbar unterirdisch, weil das Terrain holprig ist, die Sicht schlecht, dass man sich vornimmt: ‚Morgen sag ich besser mal gar nix.‘“
skiweltcup.tv: „Lindsey Vonn hat in einem Video ihren Gefühlen freien Lauf gelassen und mit einem Hammer auf ihre Skier wie besessen eingeschlagen. Wie bedeutend ist es im Spitzensport, Emotionen zu zeigen und in einer egoistisch, schnelllebig und kühl gewordenen Welt Mensch zu bleiben?“
Aris Donzelli: „Also ich fand die Reaktion von ihr menschlich. ‚Die blöde Bindung – kann doch mal halten!‘ Und dass der Ärger eben auch noch anhält, selbst wenn das Rennen – in diesem Fall der Sturz – längst vorbei ist, habe ich durchaus nachvollziehen können. Ich fand die Reaktion des HEAD-Chefs deshalb auch gut und halte nichts von den Reaktionen Einzelner, die ihr ‚sofort den Vertrag aufgekündigt hätten.‘ Ich finde Emotionen im Spitzensport wichtig, solange sie aus der Situation kommen und jeder Zuschauer sie auch deshalb nachvollziehen kann, weil er selbst vielleicht schon große Freude oder großen Frust ausgelebt hat. Die Tendenz, in Körpersprache und Aussage ‚glatt‘ zu sein, um ja nicht anzuecken, ist am Ende langweilig. Ich wünschte, Manager, Teambetreuer würden mündige Sportler nicht glattschleifen, wobei ich nicht glaube, dass es ein Problem im Skisport ist, eher in anderen Bereichen. Fußball zum Beispiel.“
skiweltcup.tv: „Neben Ihrem Steckenpferd Ski alpin kommentieren Sie auch Tennis- und Fußballspiele, aber auch Formel-1-Rennen. Was ist für Sie das Schöne am Dasein als Sportjournalist, und was verbindet die aufgezählten Sportarten?“
Aris Donzelli: „Das Schöne ist die Abwechslung. Und dabei die Herausforderung, sich immer wieder in all dem was man macht mit denen zu messen, die nur monothematisch arbeiten. Wenn ich beim Fußball eingesetzt werde, erwartet das ZDF berechtigterweise von mir, dass ich genauso gut arbeite wie jemand der nichts anderes, als das macht. Das erhöht den Druck – aber so ist das eben!
Und noch etwas ist schön: Das Wiedersehen mit netten Kollegen zu einer neuen Saison – egal ob Ski, Tennis oder Formel 1. Manch einer mag denken, das sind überehrgeizige Konkurrenten, die gönnen sich nicht das Schwarze unterm Fingernagel. Wenn ich im Winter den ARD-Kollegen Bernd Schmelzer treffe oder Eurosport-Kommentator Guido Heuber, dann freue ich mich darauf, mit den Jungs mal abzuhängen, um Privates auszutauschen. Und natürlich freue ich mich auf die Sportlerinnen und Sportler. Zu sehen wie sich jemand über Jahre zu einer Weltcupsiegerin entwickelt oder zu einem Weltklassesportler in anderen Sportarten, ist für mich etwas Besonderes. Ich durfte viele Karrieren begleiten. Darunter zählen jene von Maria Höfl-Riesch, Boris Becker, Steffi Graf, Michael Schuhmacher und Jürgen Klinsmann.
Was mich mit den Sportarten verbindet, ist zunächst das Interesse, dann die im Sport gesammelten Erfahrungen. Ich war ein ordentlicher Tennisspieler und Kicker, ein mäßiger Skifahrer und Formel 1 habe ich ein einziges Mal als Beifahrer im McLaren-Doppelsitzer erlebt. Ich war weiß wie eine Kalkwand, als ich ausgestiegen bin – und am nächsten Tag kam noch ein viehischer Muskelkater im Nacken dazu. Seither weiß ich: Die Jungs müssen topfit sein. Und da sind wir bei einem weiteren Mosaikstein, warum ich das mach, was ich mache: Ich empfinde großen Respekt vor den Leistungen der Athleten in ‚meinen Sportarten‘. Das darf man nicht vergessen, bei all der mittlerweile akribischen Suche nach Gründen, warum eine Leistung nicht abgerufen wurde.“
Bericht und Interview für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner

Die Skiweltcup.TV Sommer-Interviews 2016 – und alle zwei Tage werden es mehr!
Hermann Maier – Matthias Hüppi – Nicole Schmidhofer – Georg Streitberger – Marlene Schmotz – Oliver Polzer – Tina Weirather – Riccardo Tonetti – Aris Donzelli – Andreas Sander – Annemarie Moser-Pröll – Ana Drev – Nadia Delago – Roland Leitinger – Mirjam Puchner – Marco Schwarz – Conny Hütter – Dominik Paris – Peter Fill – Stephanie Venier