Mit Andi Evers leitet seit diesem Frühjahr ein Mann das Schweizer Speed-Team, der überall markante Spuren hinterlassen hat. Der 49-jährige Österreicher zählt zu den ausgewiesensten Experten. Die Erfolgsbilanz ist beeindruckend. Gehts nun auch mit Swiss-Ski so weiter?
«Über seinen Leistungausweis braucht man nicht zu diskutieren», sagt Beat Feuz, «aber …» «Er ist sehr kompetent und hat ein gutes Auge, die Inputs sind positiv», findet Carlo Janka, «aber er hat eine ruhige, überlegte Art», beschreibt ihn Mauro Caviezel. «Der erste Eindruck ist sehr gut, aber …»
Erfolg kommt nicht von selbst
Das «Aber» bezieht sich auf das, woran alle Aktivitäten im Sport letztlich gemessen werden – dem Ergebnis. «Aber», ergänzt Feuz, «von selbst kommt der Erfolg nicht.» «Aber zählen tun einzig die Resultate», setzt Caviezel sein Statement fort. Und Janka präzisiert in seiner pragmatischen Art: «Die Vorschusslorbeeren sind da, aber abgerechnet wird im Winter.» Wie schnell Pläne und Ziele über den Haufen geworfen werden, erlebt Janka mit seinem Kreuzbandriss. Und ein weiteres Beispiel als Mahnmal: Als Ottmar Hitzfeld seinerzeit die Fussball-Nationalmannschaft übernahm, glaubten verschiedene Spieler, mit einem Top-Trainer wie ihm würde der Erfolg zum Selbstläufer. Dann setzte es gegen Luxemburg eine 1:2-Blamage ab.
Das potente «WC4»
Einen nachhaltigen Markstein pflanzte Andi Evers seinerzeit mit Österreichs legendärer «WC4», dem wohl potentesten Powerteam, das es im Ski-Weltcup je gab. Hermann Maier, Michael Walchhofer, Benjamin Raich und später auch Mario Matt gehörtem ihm an, alles x-fache Seriensieger, Weltmeister und Olympiasieger. Doch wer stets bescheiden im Hintergrund blieb, war der Chef Andi Evers – im Zeitalter der Lautsprecher und Selbstdarsteller fast ein Anachronismus. «Seine» Erfolge und Auszeichnungen habe er nie gezählt, sagt er: «Es dürften etwa 100 Siege plus 20 Medaillen sein, bei denen ich als verantwortlicher Trainer für den Athleten zuständig war.»
Nur einmal erstellte er eine solche Statistik: «Als ich 2012 als Trainer in die USA wechselte, brauchte ich für die Arbeitsbewilligung eine Zusammenstellung. Sonst mache ich so etwas nicht gerne, weil es ja nicht meine Erfolge sind, sondern die der Athleten.» Typisch Evers.
Zurück in die USA
In den USA führte er Steven Nyman nach sechsjährigem Unterbruch auf den Erfolgspfad zurück und Travis Ganong erstmals aufs Podest. Nach zwei Jahren musste er indes wieder gehen, «weil», so Evers, «der neue Verbandspräsident sein Amt nicht mit einer Altlast anfangen wollte».
Die «Altlast» bestand aus einem Gerichtsfall. Evers damalige Freundin hatte in einem IT-Unternehmen 7,6 Millionen Euro unterschlagen. Als Partner, der davon profitiert hatte, verurteilte ihn das Gericht wegen Beihilfe: «Ich hatte die falsche Freundin zur falschen Zeit. Ich war schlussendlich selber schuld und hätte die Dinge hinterfragen müssen. Ich habe mich nicht darum gekümmert, was sie machte. Für mich war das eine sehr schwierige, aber auch lehrreiche Zeit.»
Nach einem Zwischenjahr in der Ski-Akademie Waidhofen heuerte er in Liechtenstein an, wo er Tina Weirather zur ersten WM-Medaille und dem Gewinn der Kristallkugel im Super-G führte. Bis in diesem Frühjahr der Schweizer Verband an ihn herantrat. «Als er», so Tina Weirather, «mir das sagte, riet ich ihm: Das musst du unbedingt annehmen, das ist ein tolles Angebot.» Weirather schätzte seine fachliche Kompetenz und die ruhige, zurückhaltende Art: «Ich habe nicht gerne, wenn ich ‹übercoacht› werde. Andi fand immer das richtige Mass.»
Evers war schon lange auf dem «Radar»
Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann hatte Evers schon lange im Auge. Bereits 2013 nach dem Wechsel von Männer-Speedchef Roland Platzer zu den Frauen befand er sich im Kandidatenkreis. Lehmann und Evers kennen sich seit fast 30 Jahren. Als Aktive fuhren sie noch gegeneinander. Und Anfang der neunziger Jahre verbrachten sie einst zwei Wochen in Japan. Evers weilte als Atomic-Testpilot dort. Lehmann war von Karl Frehsner für FIS-Rennen nach Morioka geschickt worden, weil dieser gemerkt hatte, dass die Piste, auf der 1993 die WM stattfand, auf die Fähigkeiten von Lehmann zugeschnitten war. Prompt wurde Leh-mann ein Jahr später sensationell Abfahrts-Weltmeister.
Zu jener Zeit neigte sich Evers Karriere bereits dem Ende zu. Der Österreicher galt als eines der grössten Talente. 1986 wurde er WM-Zweiter der Junioren, zu seiner Enttäuschung «nur» Vizeweltmeister: «Ich hatte damals die Rennen meiner Altersklasse dominiert und galt als Favorit. Zwei Tage vor der WM-Abfahrt zog ich mir aber eine Schienbeinprellung zu.» WM-Gold ging an den Westschweizer William Besse, der sechs Hundertstel schneller fuhr als Evers. «Mit ihm», anerkennt Evers, «hat der Richtige gewonnen. Das hat er ja später im Weltcup bewiesen, wo er viel erfolgreicher war als ich.»
Selber nicht so erfolgreich
Evers bestritt etwa ein Dutzend Weltcuprennen, schaffte aber nie einen Spitzenplatz. Drei Jahre lang war er praktisch nur verletzt, dann wurde er aussortiert. Hannes Trinkl, später Weltmeister, heute Renndirektor der FIS und als Aktiver Zimmerkollege von Evers, sagt: «Andi hatte einfach kein Glück in der Karriere. Dafür wurde er ein hervorragender Trainer, für mich der beste. Ich verstehe nicht, warum der ÖSV ihn nicht zurückgeholt hat.»
Bevor Evers ins Trainer-Metier einstieg, arbeitete er, als gelernter Industrie-Kaufmann, eine Zeitlang im Marketing der Flachauer Bergbahnen. In der Zwischenzeit absolvierte er die Skilehrer-Ausbildung, zusammen mit einem gewissen Hermann Maier, der ebenfalls aus allen ÖSV-Kadern geflogen war. Die beiden Flachauer Evers und Maier hatten sich kurioserweise auf dem Fussballplatz und nicht auf der Skipiste kennengelernt. Evers gehörte auch in dieser Sportart zu den Besten, war Spielertrainer des lokalen Vereins und als Jugendlicher österreichischer Auswahlspieler.
Maier und Evers fanden sich im Weltcup wieder
Auf Umwegen fanden sich Maier und Evers im Ski-Weltcup wieder. Dank einer Spitzenzeit als Vorfahrer (!) im Flachauer Weltcup-Riesenslalom, den Urs Kälin gewann, erhielt der ausgemusterte Maier zur Belohnung einen Europacup- und danach Weltcup-Startplatz – im Alter von schon über 23 Jahren. Andi Evers begleitete ihn, nunmehr als Skitrainer, vom verkannten Nobody bis zum Weltmeister und Olympiasieger. Evers Philosophie: «Immer im Team trainieren, aber gleichwohl versuchen, so individuell wie möglich auf den einzelnen Athleten einzugehen.» Diese Philosophie deckt sich mit der neuen Strategie von Swiss-Ski. Aufstrebende Talente wie die Ex-Junioren-Weltmeister Ralph Weber oder Nils Mani können beim Trainingsaufbau nicht über den gleichen Leist geschlagen werden wie Beat Feuz oder Patrick Küng. Deshalb sind neu zwei Speed-Gruppen gebildet worden, eine A/1 mit Andi Evers und Jörg «Jojo» Roten als Trainern sowie 1/B mit Simon Rothenbühler und Vitus Lüönd. Franz Heinzer führt wie bisher das Europacup-Team. Roten ist zudem als «Koordinator» für die Speedgruppen und Trainingspisten zuständig. Die Gesamtverantwortung liegt bei Evers.
Nur er und Küng
Ein Beispiel seiner Betreuungsphilosophie gab Evers gleich bei seinem Einstand Ende des letzten Winters. Zusammen mit Patrick Küng ging er eine Woche lang frei Skifahren, nur er und Küng. «Das tat gut», lobt der Ex-Weltmeister, «einmal von jemand anders zu hören, wie man Skifahren sollte. Ich habe viel gelernt, die einfachen Grundelemente von neuem aufzubauen, und wieder Freude am Skifahren bekommen.»
«Es ging», so Evers, «bei Paddy um ein technisches ‹Reset›, weil nicht mehr alles zusammengepasst hat. Gerne hätte ich das auch mit andern gemacht. Leider reichte die Zeit nicht.» Psychologische Kniffe und künstliche Gruppendynamik sind nicht Evers Ding: «Wenn die Jungs sich gegenseitig pushen, entsteht automatisch eine gute Dynamik. Letztlich gehts immer ums Gleiche: Rennen zu gewinnen, egal ob im Weltcup, der WM oder an Olympischen Spielen.»
Quelle: www.Swiss-Ski.ch
Skiweltcup Kalender / Termine der Herren Saison 2017/18
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