Grüningen – Die Saison 2016/17 war für den jungen Eidgenossen Gilles Roulin eine sehr erfolgreiche. So gewann er im Europacup die Gesamtwertung. Aber auch die Disziplinenwertungen in der Abfahrt und im Super-G gingen an den Schweizer. Im Interview mit Skiweltcup.TV blickt der 22-Jährige auf den letzten Winter, die bevorstehende Saison und sein Studium. Auch über sein Idol gibt er uns Auskunft.
Skiweltcup.TV: Gilles, zuerst wollen wir dir zum Sieg in der Europacup-Gesamtwertung gratulieren. Hand aufs Herz, hast du dir je so einen Traumwinter vorstellen können? Und ist ein klein bisschen Wehmut dabei, dass just inmitten deiner Siegesserie die Ski-WM der Großen in St. Moritz stattgefunden hat?
Gilles Roulin: Herzlichen Dank! Nein, ich hätte mir nicht erwartet, dass diese Saison mit sieben Europacupsiegen und den Triumphen in der Gesamt-, der Abfahrts- und der Super-G-Wertung enden wird. Natürlich habe ich mir Mühe gegeben und war voller Hoffnungen, dass ich einen Schritt machen kann. Aber einen so großen Schritt habe ich nicht erwartet. Nein, keineswegs: Die Ski-WM war ein Highlight für mich als Zuschauer, ich habe zu keiner Sekunde damit geliebäugelt, dort an den Start gehen zu können. Meine Erfolge waren beachtlich, aber auf einem anderen Niveau als demjenigen, das es für eine WM braucht.
Nach dem sehr erfolgreichen Europacupwinter 2016/17 starten in Kürze die Vorbereitungen auf deinen ersten Weltcupwinter 2017/18. Was können wir über deine Trainingseinheiten in Erfahrung bringen. Muss man eigentlich mehr und intensiver trainieren, wenn man zum Konzert der Großen, sprich der Weltcupelite gehört?
Das weiß ich noch nicht, schließlich ist es eben mein erster Weltcupwinter. Ich möchte mich jedoch nicht mit anderen, sondern mit mir selber vergleichen. Dabei gibt es für mich einige Schwerpunkte, die ich in meiner Vorbereitung gezielt setzten will, um mich in gewissen Bereichen noch zu verbessern. Ich denke, dass es nicht ein Rezept gibt, sondern viele und es ist wichtig, dass man die Zutaten findet, welche einem dabei helfen, sein Rezept möglichst schmackhaft zu gestalten.
Ein Blick in die sommerlichen Übungseinheiten: Spürst du beispielsweise, wenn du Ski testest, ob das eine paar Skier auf einer Minute Fahrzeit eine halbe Sekunde schneller oder langsamer ist? Wenn ja, woran macht man solche essentielle Sachen fest? Schließlich entscheidet oft weniger als eine halbe Sekunde über Sieg oder Niederlage, bzw. Heimreise oder Qualifikation für den zweiten Durchgang?
Ja, eine halbe Sekunde merkt man sicher. Allerdings geht es meistens um ein bis zwei Zehntel; da wird es dann schon schwierig, rein an Hand des Gefühls einen Unterschied festzustellen. Aber deshalb haben wir ja die Zeitmessung, damit man genau feststellen kann, wie wo welche Zeit gewonnen oder verloren wird. Im Speedbereich merkt man natürlich Unterschiede beim Gleiten. Dazu kommen aber eben auch immer noch die Abstimmung des Skis und das Kurvenverhalten. Hier merkt man natürlich Unterschiede zwischen einzelnen Modellen.
Die Schweiz hat in der über 50 Jahre andauernden Weltcupgeschichte immer wieder großartige Athletinnen und Athleten hervorgebracht. Es würde sicherlich der/die eine oder andere vergessen werden, wenn man nun alle aufzählen würde. Trotzdem: Hast du ein besonderes Vorbild, das dir von klein auf bis in die Gegenwart immer imponiert und welches dir menschlich wie sportlich sehr viel bedeutet?
Roger Federer ist für mich eine Inspiration. Es gibt wohl niemand Vergleichbares, der sportlich und menschlich dermaßen überzeugt und dabei so authentisch und sympathisch wirkt. Leider hatte ich noch nicht die Möglichkeit, ihn persönlich kennen zu lernen.
Aus dem Skizirkus habe ich kein wirkliches Vorbild; als Bub war es Daniel Albrecht. Sein Fahrstil war einmalig und ich wollte unbedingt fahren wie er. Unterdessen hab ich gemerkt, dass es nicht sinnvoll ist, wenn man jemand anders kopieren will, vielmehr geht es darum, seinen eigenen Stil zu entwickeln.
Neben der skifahrerischen Karriere, die hoffentlich noch sehr lange andauert und erfolgreich sein wird, hast du dich für ein Hochschulstudium an einer Universität entschieden. Wo und was studierst du, und aus welchem Grund ist es trotz deiner Jugend wichtig, die eigenen Welt nicht nur um den Skirennsport drehen zu lassen? Und was sind nebenbei die Werte, für die du stehst und für die es sich in einem schnelllebigen und hektischen Alltag zu kämpfen lohnt?
Ich studiere an der Fernuni Schweiz Jus im vierten Semester. Grundsätzlich ist es für mich ein riesiges Privileg, dass ich das was ich am allerliebsten mache, als Beruf machen darf. Allerdings ist die Luft dünn und der Grat schmal, weshalb der Traum schneller enden kann, als er begonnen hat. Mir ist es wichtig, dass ich für alles vorbereitet bin. Hinzu kommt, dass, wenn alles läuft wie am Schnürchen, kommt trotzdem Mitte dreißig der Moment, wo man nicht mehr auf dem nötigen Niveau Skifahren kann, dann bleiben allerdings immer noch viele Jahre, in denen man sich beschäftigen sollte. Deshalb ist es mir wichtig, dass ich eine Absicherung habe, für die Zeit nach dem Skifahren.
Ui, die Wertefrage – die Gretchenfrage quasi – ist nicht einfach zu beantworten. Ich denke, dass es wichtig ist, im Leben etwas zu finden, was man richtig gern tut. Nur wer mit Hingabe etwas bewerkstelligt, wird in seinem Tun erfolgreich sein. In sportlicher Hinsicht sind mir Zielstrebigkeit und Leistungsbereitschaft relativ wichtig. In menschlicher Hinsicht symbolisieren Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zentrale Werte für mich. Und natürlich muss immer Platz sein für etwas Spaß. Man darf sich selber nicht zu ernst nehmen.
Bericht und Interview für Skiweltcup.TV: Andreas Raffeiner
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