Levi – Die slowakische Skirennläuferin Petra Vlhová hat am Samstag und am Sonntag je einen Slalom in Levi für sich entschieden. In der Gesamtwertung hat sie auf souveräne Art und Weise den Platz an der Sonne inne. Die frühere Technikspezialistin hat sich längst schon zu einer Allrounderin entwickelt. Dementsprechend schielt sie auch auf die große Kristallkugel, auch wenn diese noch weit weg ist.
Auf die Erfolge in Finnland angesprochen, meinte die 25-Jährige, dass sie den Ort mit viel Selbstvertrauen verlasse und sie fühle, dass sie in dieser Ski Weltcup Saison über viel Kraft verfüge. Die Klasse, die sie in Lappland zeigte, ließ auch die Konkurrenz etwas mit offenem Mund zurück. Sie hat fünf Slaloms saisonübergreifend gewonnen. Dass sie sich dadurch für Höheres bereit fühlt, liegt auf der Hand. Und was sagt der einstige DSV-Athlet Felix Neureuther über Vlhová?
Der deutsche Technikspezialist früherer Tage erkennt in ihr ein extrem akribisches Arbeitstier, das klare Ziele vor Augen hat und diese mit einem eigenen Team erreichen und umsetzen will. Auf alle Fälle kann sie den Sprung nach ganz oben schaffen. Neureuther bewundert Vlhovás Ruhe, die sie im Oberkörper ausstrahlt. Das ist ein Schlüssel von vielen zum Erfolg.
Vor sechs Jahren gewann sie bei den Juniorenweltmeisterschaften die Goldmedaille; zwei Jahre zuvor debütierte sie im Weltcup. Nach Lehrjahren auf kontinentaler Ebene fuhr sie ab dem Winter 2016/17 im Ski Weltcup. Der erste Sieg sorgte dafür, dass sie den Durchbruch schaffte. Die Slowakin kommt aus einem Land, in dem es gute Trainingsmöglichkeiten gibt, aber um ehrlich zu sein, gibt es nur einen kleinen Verband ohne richtig professionelle Strukturen.
Hinter den Erfolgen der 25-Jährigen stehen mit Vater Igor und Trainer Livio Magoni zwei Männer, die ihr den Weg in die Weltspitze ebneten. Wenn wir an Veronika Velez-Zuzulová denken, die ebenfalls mit ihrem Privatteam sehr erfolgreich war, kann man Parallelen erkennen.
Magoni hat auch die Slowenin Tina Maze zu Erfolgen en masse geführt. Der Italiener ist ein Erfolgscoach und ein bedeutendes Element in ihrem Team. Der Trainer ist ein Perfektionist, der jedes Detail kennt und wie kein Zweiter tüftelt. Im azurblauen Verband war er für viele zu streng.
Seit Dezember 2016 feierte Vlhová 16 Weltcupsiege. Vier WM-Medialen und zwei kleine Kristallkugeln im Slalom- und Parallelweltcup gesellen sich dazu. Und wer die Slowakin kennt, weiß, dass in ihrem Haus noch viel mehr Platz ist und dass sie gegen den Gewinn einer großen Kristallkugel absolut nichts einzuwenden hat.
Die Trainingseinheiten sind abwechslungsreich, die Koordination zwischen Händen und Füßen wird durch ein Hobby – das Schlagzeug spielen – verbessert. Beim Tennis und beim Kajakfahren werden der Oberkörper und der Rumpf trainiert. Beim Eislaufen wird der Schlittschuhschritt simuliert, welcher für einen explosiven Startvorgang wichtig ist, und beim Motocross fahren geht es darum, die richtige Linie zu finden und dem Instinkt zu folgen.
Vlhová möchte in allen Disziplinen an den Start gehen. Dabei will der Trainer das Bestmögliche für seinen Schützling herausholen. 2019 gewann sie den Riesentorlauf-Weltmeistertitel in Åre; und es wäre doch eine besondere Genugtuung für Magoni, wenn seine Athletin in Cortina d’Ampezzo den azurblauen Gegnerinnen die Suppe versalzen würde und die Goldene nochmals holt.
Und da gibt es noch ein Ziel. Bei den Olympischen Winterspielen, die 2022 in der chinesischen Hauptstadt Peking stattfinden, will man den Traum von einer Goldmedaille in die Realität umsetzten. Vlhová und Magoni sind jedoch keine Träumer, sonder richtige Malocher. Erfolge fallen nicht vom Himmel, und mit diesem Wissen und der Professionalität im Team, besteht für die Slowakin durchaus die Chance, in absehbarer Zeit die große Kugel in die Höhe zu stemmen, aber auch Edelmetall im Reich der Mitte zu erobern.
Bericht für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner
Quelle: sportschau.de