Schaan – Dass das schier grenzenlose Europa seine Vorteile hat, sehen wir am Beispiel der jungen Skirennläuferin Jessica „Jessi“ Hilzinger. Sie lebt in Schaan, gelegen in Liechtenstein und kam in der Schweiz auf die Welt. Und im Ski Weltcup will sie für das DSV-Team punkten, erfolgreich sein und ihre Ziele erreichen. Außerdem spricht sie mit uns über die Corona-Pandemie, die mentale Stärke und ihre Zielsetzungen im Hinblick auf den kommende WM-Winter 2020/21.
Jessi, in der Schweiz geboren, bist du bis 2015 für das alpine Fürstentum Liechtenstein Skirennen gefahren. Seit jener Zeit fährst du für den Deutschen Skiverband. Bereust du im Nachhinein diese Wahl, nachdem mit Tina Weirather die beste liechtensteinische Skirennläuferin der Gegenwart die Skier an den Nagel gehängt hat?
Den Entscheid habe ich mir damals über zwei Jahre hinweg gut überlegt. Mir war klar, dass ich zu 100 Prozent überzeugt sein muss und ich auf meine Zukunft schauen musste. Im Vordergrund steht immer der Sport, und man muss auf sich selber schauen, um seine Ziele zu erreichen. Da war für mich das Land, für welches ich an den Start gehe, zweitrangig.
Deswegen bereue ich meine Entscheidung nicht, auch wenn ich im Herzen eine Liechtensteinerin bleibe und nachwievor dort wohne.
Tina hat über Jahre hinweg eine super Leistung gebracht, auch wenn sie viele Rückschläge mit Verletzungen durchmachen musste. Trotzdem hat ihr Rücktritt mit mir nur wenig zu tun. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen, um seine Ziele zu erreichen. Zu ihrer Karriere kann man ihr nur gratulieren, und sie wird immer eine wichtige Person für den liechtensteinischen Sport bleiben!
Das Coronavirus hält derzeit die ganze Welt in Schach. Wie gehst du mit so einer Situation um und beeinflusst die Pandemie deine frühsommerlichen Trainingseinheiten, da sowohl die für das Frühjahr angesetzten nationalen Meisterschaften und Materialtests sprichwörtlich ins Wasser fallen?
Man muss jetzt einfach das Beste aus der Situation mit dem Coronavirus machen. Die Saison wurde zwar vorzeitig beendet, und alle Skitests usw. sind ins Wasser gefallen. Trotzdem ist es für alle Athleten eine gleiche Situation, und es bringt nichts, sich darüber zu ärgern. Man muss jetzt einfach abwarten, wie sich alles entwickelt, wann wir wieder mit dem Schneetraining beginnen können usw. Aber der konditionellen Vorbereitung steht nichts im Weg, selbst wenn man ab und zu kreativ sein muss!
Wer im Sport erfolgreich sein möchte, muss nicht bloß seine Muskeln trainieren und seinen Oberkörper stählen. Man benötigt auch starke Nerven. Weshalb kann der Kopf den Körper zu Höchstleistungen antreiben und zu wie viel Prozent ist die mentale Stärke an einem Sieg beteiligt?
Meiner Meinung nach ist die Grundvoraussetzung, dass man konditionell fit ist klar. Doch das alleine reicht natürlich nicht, um sportliche Erfolge zu erreichen. Wenn man mal eine schwierige Saison durchmachen muss, da wird einem erstmals bewusst, was der Kopf alles so ausmacht.
Man braucht das Selbstvertrauen, die mentale Stärke die Nerven zu behalten, auch wenn es mal brenzlig wird oder wenn mal ein Rennen gar nicht so funktioniert, wie man es sich erhofft hat. Ich würde sagen, dass die mentale Stärke 50% an Erfolgen beteiligt ist. Es braucht Zeit, bis man das erlangt, aber wenn man es hat, dann „flutscht“ es. Mit einer mentalen Stärke kann man sehr vieles erreichen, weshalb ich auch überzeugt bin, dass der Kopf eines der wichtigsten Komponenten ist.
Inwiefern ist es nicht falsch zu behaupten, dass du als eine Sympathieträgerin mit großem Potenzial gehandelt wirst? Aus welchem Grund wird die bevorstehende WM-Saison 2020/21 angesichts der letztjährigen Erfolgserlebnisse im Europacup für dich eine gute werden?
Zuerst einmal hoffe ich, dass der nächsten Saison nichts im Wege steht. Durch meine Erfolge im Europacup und die gute Ausgangslage, die ich dadurch geschafft habe, blicke ich sehr zuversichtlich dem Ganzen entgegen. Ich freue mich einfach, wieder im Starthaus zu stehen und da weiterzumachen, wo ich aufgehört habe und hoffe, den nächsten Schritt nach vorne zu setzen.
Natürlich ist da die WM ein Ziel, aber ich muss einfach gut Ski fahren und meine Teilziele während der Saison erreichen, dann kommt der Rest automatisch.
Bericht und Interview für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner