Nach einer intensiven und langen Vorbereitung beginnt für die Alpinen am Wochenende auf dem Rettenbachgletscher in Sölden die neue Weltcupsaison. In den vergangenen beiden Jahren zeigte die Leistungskurve im Schweizer Team steil nach oben. Diese positive Entwicklung auf hohem Niveau gilt es nun zu stabilisieren, wie Stéphane Cattin, Direktor Ski Alpin bei Swiss-Ski, im Interview betont.
An diesem Wochenende beginnt in Sölden die neue Weltcupsaison der Alpinen. Mit welcher Schulnote bewertest du die Saisonvorbereitung der Teams von Swiss-Ski – und weshalb?
Stéphane Cattin: «Ich gebe die Bestnote 6. Dies, weil die Saisonvorbereitung absolut gelungen ist – nicht zuletzt dank unserer Partnerschaft mit Saas-Fee und Zermatt. Dort hatten wir beste Trainingsbedingungen mit tollem Wetter und viel Schnee. Dass es jeweils schon vor dem Saisonauftakt verletzte Athleten gibt, gehört leider dazu. Glücklicherweise haben wir diesmal jedoch verhältnismässig wenig Verletzte zu beklagen.»
Die Speed-Fahrer verzichteten erneut auf eine Reise in den südamerikanischen Winter und absolvierten Trainingseinheiten wie erwähnt auf heimischem Boden in Saas-Fee und Zermatt. Gibt es Bestrebungen, die Anzahl Trainingseinheiten auf Schweizer Schnee zu erhöhen – auch für andere Trainingsgruppen?
«Wo die Trainingseinheiten abgehalten werden, hängt vom jeweiligen Bedarf und der Planung der einzelnen Gruppen ab. Fakt ist, dass von Zeit zu Zeit eine Abwechslung notwendig ist. Die Bedingungen in Saas-Fee und Zermatt waren perfekt, aber die Athleten brauchen in der Vorbereitung auch einmal andere Pisten. Vorteilhaft in Saas-Fee und Zermatt ist sicherlich das stabile Wetter. Ausserdem ist Swiss-Ski über das Nationale Sportanlagenkonzept NASAK im Besitz eines Benützungsvertrags betreffend die Infrastruktur auf den Gletschern von Saas-Fee und Zermatt. Wir haben Priorität bei der Reservation und können von uns gewünschte Elemente in die Pisten einbauen. Dies ist in Südamerika nicht möglich. Vorstellbar ist, dass es im kommenden Sommer eine interne Rotation gibt. Sprich: Im Speed-Bereich absolvieren die Männer Trainingskurse in Südamerika, die Frauen dafür solche in Saas-Fee und Zermatt.»
Die Weltcupsaison beginnt traditionell mit je einem Riesenslalom für die Frauen und Männer auf dem Rettenbachgletscher. Mit welchen Erwartungen reist du nach Tirol?
«Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen ist der Riesenslalom nicht unsere stärkste Disziplin. Wir haben jedoch auch hier Fortschritte gemacht, die Teams entwickeln sich gut. In Sölden streben wir bei beiden Geschlechtern eine Klassierung unter den ersten 15 an. Leider fehlen mit Justin Murisier und Simone Wild zwei Riesenslalom-Spezialisten verletzungsbedingt.»
Am Wochenende beginnt nicht nur eine neue Weltcupsaison, es ist gleichzeitig auch das erste Weltcuprennen im neuen Olympiazyklus. Worauf liegt Swiss-Ski den Fokus bei der Arbeit mit den Athletinnen und Athleten auf und neben der Piste in den kommenden Jahren?
«Es geht einerseits darum, die Zahl der Athleten, die sich auf sehr hohem Niveau bewegen, zu erhöhen. Es gibt Disziplinen, wo wir an der absoluten Weltspitze noch breiter aufgestellt sein können. Andererseits gilt es, unsere Strukturen betreffend Konditionstraining zu festigen. Vor drei Jahren haben wir für diesen Bereich in Magglingen einen Stützpunkt aufgebaut. Diesen gilt es nun weiter zu stärken. Die Infrastruktur, die wir unseren Athleten zur Verfügung stellen, ist gut. Aber es gibt noch Potenzial nach oben. Ein anderer Fokus liegt auf der individuellen Ebene. Stichworte hierzu sind Mentaltraining, Ernährung, Karriereplanung, Vereinbarkeit von Sport und Ausbildung. Wichtig für uns ist die Spitzensportförderung der Armee in Form von Spitzensport-RS, Spitzensport-WK und Zeitmilitär-Stellen. Die Zusammenarbeit mit der Armee in diesem Bereich gilt es zu intensivieren.»
Vor drei Jahren bist du zu Swiss-Ski zurückgekehrt und seither als Direktor im Bereich Ski Alpin für die strategische Ausrichtung verantwortlich. Wie beurteilst du die Entwicklung bei den Schweizer Alpinen seither?
«Die Entwicklung ist sehr gut. Fast schon zu gut, denn eine schnelle Entwicklung ist auch gefährlich. Man kann rasch wieder tief fallen. Im Zusammenhang mit Zielen sprechen wir deshalb von Stabilisierung. Um künftig die nächsten Schritte vorwärts machen zu können, gilt es zunächst, das geschaffene Fundament zu festigen, sprich die jüngste positive Entwicklung auf hohem Niveau zu stabilisieren. Man kann sich nicht ständig von einer Saison zur nächsten radikal steigern.»
Die positive Entwicklung kam zuletzt in der Medaillenausbeute bei den letzten Grossanlässen zum Ausdruck. Sowohl bei der Heim-WM in St. Moritz 2017 als auch bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang resultierten für die Schweizer Alpinen sieben Medaillen. Die Erwartungen der Öffentlichkeit an das Schweizer Team werden im Februar bei den Titelkämpfen in Åre hoch sein.
«Natürlich nehmen wir die WM in Åre mit Optimismus in Angriff. Die Ausgangslage ist positiv, bis zum Februar kann allerdings noch viel passieren. Die Anzahl Athleten, die Medaillenchancen haben, ist bei uns nicht viel grösser als vor der Heim-WM 2017. Bei den Frauen haben wir mehr Medaillenkandidatinnen, bei den Männern nicht. Dort kommt zwar eine junge Garde nach, im Weltcup stand diese bislang jedoch noch nicht auf dem Podest.»
Quelle: Swiss-Ski.ch