Schönberg-Lachtal – Die steirische Skirennläuferin Nicole Schmidhofer schaut mit uns auf den vergangenen Winter. Außerdem spricht die ÖSV-Speedspezialistin über die Sommereinheiten, die sie erlebt hat. Dabei unterstreicht sie einmal mehr ihren liebenswürdigen und netten Charakterzug. Des Weiteren blickt die 30-Jährige immer nach vorne. Sie freut sich, dass es bald los geht, denn an Lake Louise hat sie besonders gute Erinnerungen.
Nici, wie würdest du deine Saison 2018/19 beschreiben? Ist die Freude über die kleine Abfahrtskugel und die Top-Platzierung bei der Speedski-WM größer als die Ernüchterung über die misslungene Ski-WM in Åre, wo du als Titelverteidigerin keine Medaille im Super-G geholt hast?
Die Saison ist für mich mit den zwei Ski Weltcup Siegen in Lake Louise überraschend gestartet. Vor allem deshalb, weil ich bis zu jenem Zeitpunkt dort nie besser als auf Rang acht platziert war, somit war das ein mega Start für mich. Danach folgen ein paar Ups and Downs, mal waren richtig gute Rennen dabei, dann wieder Platzierungen außerhalb der Top-10.
Leider hat sich das auch bei der WM fortgesetzt; es war eine ganz andere Situation als 2017, als ich mehr oder weniger als komplette Außenseiterin hingekommen bin. Nach Åre bin ich doch als Titelverteidigerin in einer Topform angereist, nachdem ich den letzten Super-G vor der WM in Garmisch-Partenkirchen für mich entscheiden konnte. Beim Rennen in Åre selbst hat es einfach nicht sein sollen. Es hat nicht so zusammengespielt, wie ich mir das vorgestellt habe, auch nicht vom Gefühl her. Auch die Abstimmung hat nicht so gepasst, wie ich mir das gewünscht hätte, was bei anderen Rennen hingegen sehr gut funktioniert hat.
Nichtsdestotrotz musste ich mich weiter auf die nächsten Rennen konzentrieren, die noch vor mir lagen. Damit habe ich mit dem Einsteigen in das Flugzeug Richtung Heimat die Ski-WM abgehakt. Das war auch gut so, dass ich einen Schlussstrich ziehen konnte, weil es für mich danach noch um die Abfahrtskugel ging und auch im Super-G war ich noch gut im Rennen. Am Ende überwiegt natürlich die Freude über die Kugel. Da ich schon Weltmeisterin war, gab es zwar eine vergebene Chance, aber die gewonnene Medaille nimmt mir keiner mehr. Anders wäre es, wenn du mit dem vierten Platz, den ich beispielsweise bei der WM 2015 eingefahren habe, dastehen würdest, dann hätte es viel mehr geschmerzt. Der Gewinn der Kugel ist natürlich ein Wahnsinn, wenn man die ganze Saison über so gut performed, dass es am Ende mit einem großen Vorsprung für den Gesamtsieg reicht. Darauf bin ich schon sehr stolz, auch dass ich die ganze Saison mit dem roten Trikot bei den Rennen fahren durfte, das ist schon etwas Besonderes.
Die Speed-WM war eine Draufgabe am Ende der Saison, mit über 200 km/h mit den Skiern den Berg hinunter zu rasen. Das Gefühl des Speedskifahrens kann man kaum beschreiben, zumal es mit dem alpinen Skirennfahren wenig zu tun hat. Und mit 200 km/h zu fahren ist ja nichts Alltägliches und etwas ganz Besonderes. Ich bin dem Austria Speed Ski-Team und auch den Sponsoren dankbar, dass ich das machen durfte und ich trotz des großen Aufwandes, der da betrieben wurde, so viel Unterstützung erfahren konnte. Alles in allem war es eine mega Erfahrung und ein super Abschluss nach dieser tollen Saison.
Was möchtest du uns über deine sommerlichen Trainingsorte und -einheiten erzählen? Bereitet man sich eigentlich anders vor, wenn Olympische Spiele oder Welttitelkämpfe in einer Saison anstehen? Oder ist es für dich grundlegend egal, ob es einen saisonalen Höhepunkt gibt oder nicht?
Egal ob Olympische Spiele, Weltmeisterschaften oder eine Saison ohne Großereignis, ich bereite mich immer gleich vor. Für mich ist es wichtig, ab dem ersten Rennen abzuliefern. Wenn du dem österreichischen Skiteam angehörst, muss man voll da sein, sonst bist zu bei einem Großereignis gar nicht dabei, wo bekanntlich nur vier eines jeden Landes fahren dürfen. Also muss man bei jedem Rennen versuchen vorne mitzumischen. Es ist auch wichtig, dass man sich jedes Jahr verbessern kann. So liegen im Training die Schwerpunkte immer wo anders. Mal werden mehr Reize im Kraftbereich gesetzt, dann liegt der Fokus auf die Ausdauereinheiten und ein anderes Mal auf Koordination. Die Mischung macht es einfach aus. Für mich ist es sehr wichtig, dass das Vorbereitungstraining im Sommer abwechslungsreich gestaltet wird.
Wir haben tolle Trainingskurse absolviert, der lustigste und coolste war heuer am Nassfeld. Ich liebe es in den Bergen und in der Natur zu sein und das hatten wir dort alles vereint, bei einem abwechslungsreichen Programm mit Wanderungen, Klettersteig und Mountainbiketouren. Die Kraftkammer wurde ins Freie verlegt, das Rumpftraining mitten im Wald war z. B. richtig cool. Das war der letzte Konditionskurs vor dem ersten Schneetraining, danach hatte ich das Gefühl, bereit fürs Skifahren zu sein.
Wie bringt man angesichts der Leichtigkeit des ästhetischen Seins, des Spiels mit den Komponenten Adrenalin und Tempo die Skier zum Tanzen? Und gibt es für dich als ÖSV-Speedspezialistin so etwas wie die perfekte Fahrt?
Ich sehe das Ganze als eine Einheit. Das Eine führt zum Anderen. Ein gewisses Adrenalin braucht man am Start, um sich zu überwinden und Vollgas geben zu können. Erst dann bringt man den richtigen Druck auf die Skier und merkt, das richtig was weitergeht. Ich glaube nicht, dass es die perfekte Fahrt gibt. Wenn man die letztjährigen Rennen in Lake Louise ansieht, habe ich das letzte Training und zwei Rennen gewonnen. Es war nicht die beste Fahrt, aber ich habe vielleicht in diesen drei Tagen die beste Linie erwischt. Das ist dann vielleicht nahe dran an der perfekten Fahrt und trotzdem gibt es immer Kleinigkeiten, die man verbessern kann. Es gibt kaum einen Skifahrer, der alles perfekt macht, denn der eine ist beim Start besser und dem anderen gelingt der Sprung besser. Man könnte die Kurven anders fahren oder die Wellen schlucken. Alles in allem war das Rennwochenende in Kanada zwar nicht perfekt, aber die Rennen waren dafür sehr, sehr gut von der Linienführung und der Fahrweise.
Hast du ein Lebensmotto, das dich zu dem sympathischen und ehrlichen Menschenschlag macht? Und weshalb ist es bedeutend, auch den persönlichen Reifeprozess und die individuellen Werte, die man verkörpert, zur Realisierung des Mottos heranzuziehen?
Wichtig ist, dass man sich treu bleibt, sich nicht verstellt und keine Maske aufsetzt, denn die kann auch schnell fallen. Es gibt Situationen, da kann man sich nicht mehr verstellen. Aber wenn man so ist, wie man ist, dann fährt man am besten. Ich habe vielleicht das Glück, dass ich ein Gasthauskind bin und nicht auf den Mund gefallen bin. Vielleicht finden mich deshalb manche so lustig.
Nici Schmidhofer ist glücklich, wenn am Ende des Winters 2019/20 …
Das ist eine gute Frage. Wichtig ist es für mich, nach dem letzten Rennen beim Saisonfinale fit im Ziel zustehen. Denn ohne Gesundheit kann man nichts ausrichten. Und möchte die Gewissheit haben, dass ich alles gegeben habe und auf tolle Rennen sowie gute Ergebnisse zurückblicken kann. So wäre es schön, wenn ich die Saison fit beende und ein paar Podestplätze und Siege auf meiner Habenseite stehen.
Bericht und Interview für Skiweltcup.TV: Andreas Raffeiner