Saalfelden – Die niederländische Skirennläuferin Adriana Jelinkova ist nicht nur eine sehr sympathische Zeitgenossin, sondern durch und durch eine Europäerin. Sie wurde in der tschechischen Stadt Brünn geboren und wuchs in den Niederlanden auf. Sie hat in Österreich und in der Tschechischen Republik das Skifahren erlernt.
Neben 13 FIS-Rennsiegen gewann sie im Rahmen der Olympischen Spiele der Jugend im Jahr 2012, die in Innsbruck über die Bühne gingen, die Bronzemedaille in der Kombination. Die 24-jährige Studentin der Erziehungswissenschaften stand uns Rede und Antwort.
Adriana, wenn man dein junges Leben und dein Skileben ein wenig unter die Lupe nimmt, erkennt man, dass du eine Europäerin mit Leib und Seele bist. Kann man dieser Beschreibung etwas Positives abgewinnen?
Natürlich. Ich wurde in der Tschechischen Republik, der Heimat meiner Eltern geboren. Von meinen Eltern habe ich die sportliche Seite vererbt bekommen. So war meine Mutter auch Skirennfahrerin. In den Niederlanden bin ich aufgewachsen; das Skifahren habe ich bei Winterurlauben in Österreich oder auch in der Tschechischen Republik gelernt. Als ich sechs Jahre alt war, habe ich auf dem Hintertuxer Gletscher meinen ersten Trainer kennengelernt, der als Österreicher in Holland lebt.
Dank ihm habe ich dann in den Hallen in den Niederlanden das Skifahren schon rennmäßig betrieben. Später sind dann meine Mutter und ich nach Bad Gastein gezogen, wo ich die Skihauptschule besucht habe. Danach zogen wir nach Saalfelden um, und nach neun Jahren leben wir immer noch hier.
Dennoch habe ich noch viele Freunde und Verwandte in der Tschechischen Republik; meine Mutter hat mir die Muttersprache meiner Ahnen beigebracht, sodass ich auch Tschechisch reden und schreiben kann. So gesehen gebe ich Ihnen selbstredend recht. Ich fühle mich als Europäerin und liebe zudem auch andere europäische Staaten, auch wenn der Bezug kleiner oder geringer ist. Als Beispiel würde ich Italien anführen.
Von Europa ist rein vom Wortstamm her der Weg zum Europacup nicht so weit. Wirst du in der bevorstehenden Saison 2019/20 eher im Europa- oder durchwegs im Weltcup unterwegs sein?
Mein Fokus wird auf den Weltcup gerichtet sein. Im letzten Winter lief es nicht so gut, aber trotzdem bin ich auf meine WM-Platzierung in Åre mehr als nur stolz. Der 19. Rang (mit sechstbester Laufzeit im Finale) im Slalom ist sehr gut. Diesen Erfolgslauf möchte ich in der neuen Saison selbstverständlich fortsetzen. Ich weiß, was ich kann. Da ich hauptsächlich in den technischen Disziplinen Slalom und Riesentorlauf unterwegs bin, möchte ich mich – und das ist ein Nahziel – unter den besten 25 der Welt etablieren. Wenn sich von der Zeit und vom Standort her ein Rennen im Europa- oder Nor Am-Cup ausgeht, werde ich auch hier an den Start gehen, um meine FIS-Punkte zu minimieren und mich zu verbessern. Ferner will ich auch in den anderen Disziplinen einmal starten, um Erfahrungswerte zu sammeln. So fahre ich auch gerne einen Super-G, eine Abfahrt oder eine Kombination.
Adriana Jelinkova in der Selbstkritik: Welche Stärken hast du, welche Schwächen hast du und gibt es dessen ungeachtet auch Schwächen, die du gerne zu Stärken umwandeln willst?
Nun ja, zwei gute Seiten von mir kann ich im Skirennsport ganz gut gebrauchen. Dazu zählt neben meiner Fähigkeit, sich, wenn es darauf ankommt, zu konzentrieren, auch eine gesunde Portion Ehrgeiz. Diese Charaktere oder vielmehr Eigenschaften sind wichtig, um weiterzukommen und das angesteuerte und gesteckte Ziel zu erreichen. Darüber hinaus muss ich zugeben, dass ich hie und da ein ungeduldiger Mensch bin, der auch ab und zu hektisch zu Tage schreitet und nach der Perfektion strebt. Aber es ist wie bei allen Sachen im Leben: es kommt immer aus der Sichtweise an und ehe man sich versieht, kann eine Schwäche auch als Stärke ausgelegt werden.
In Kürze beginnt am Rettenbachferner hoch ober Sölden die neue Weltcupsaison. Bist du beim Riesenslalom der Damen auch dabei und mit welchen Erwartungen gehst du in dein erstes Rennen im Winter 2019/20?
Ja, auch ich werde beim Riesentorlauf an den Start gehen. Ich möchte vor allem einen soliden Lauf zeigen, mehr als gute Ansätze zeigen und locker bleiben. Zudem wäre es keineswegs verkehrt, schnell zu fahren und die Spannung aufrecht zu erhalten. Sollte ich mich für den zweiten Durchgang der besten 30 Athletinnen qualifizieren, wäre ich schon zufrieden. Dann würde ich das Gleiche noch einmal versuchen und vielleicht kann ich mich noch verbessern. Würde das beim ersten Einsatz im Winter 2019/20 passieren, wäre es ein gelungener Saisonauftakt. Auf diesem Ergebnis würde ich dann aufbauen und mich sukzessive verbessern wollen.
Was ist dein Lebensmotto? Warum ist es gerade dieser Sinnspruch? Wer hat diese Worte erstmals zu dir gesagt und weshalb ist es immer wichtig, Werte hochzuhalten und vielleicht auch an jüngere Athletinnen, für die du vielleicht ein Vorbild bist, weiterzugeben und für diese zu kämpfen?
Ich habe mehrere Mottos, die sich während unterschiedlichsten Lebensphasen ständig ein bisschen ändern. Doch ein Leitsatz wäre: „Komfort ist der Feind des Fortschritts!“ Ich glaube, dass viele hiermit zu kämpfen haben und wissen, was ich meine. Als Mensch neigt man dazu, in der Komfortzone – sogar unbewusst – zu bleiben. Da ist es schön, aber in gewissen Situationen muss man raus, um etwas Anderes oder gar Exzeptionelles zu erreichen. Auch ich kämpfe hiermit und ich glaube, dass es wichtig ist, für neue Dinge, auch wenn es sich am Anfang gruselig anfühlt, offen zu sein. Denn von nichts kommt auch nichts.
Bericht und Interview für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner