Oberhofen am Thunersee – Alle fordern einen ausgeglichenen Rennkalender, doch das ist alles andere als einfach. Jährlich steht dieser Punkt auf der FIS-Agenda, und trotzdem hat man den Anschein, dass es hier nicht so recht weitergeht. Lösungen sind nicht in Sicht, wie man das Ungleichgewicht zwischen Speed- und Technikrennen aus dem Weg räumen kann. Die Diskussion wurde erneut entfacht, nachdem beim Saisonfinale in der Lenzerheide die Speedrennen abgesagt wurden und die Schweizer Ski-Asse Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt nicht mehr in den Kampf um die große Kristallkugel eingreifen konnten und fast tatenlos zusehen mussten, wie die Slowakin Petra Vlhová und der Franzose Alexis Pinturault quasi kampflos den Gesamtweltcup für sich entschieden.
In der abgelaufenen Saison bestritten die Frauen 13 Speed- und 17 Technikrennen. Bei den Herren fuhren die technisch versierten Athleten á la Pinturault gleich acht Rennen mehr. Diese Diskrepanz ist bei weitem nicht fair. Darum sollte man wirklich nach Alternativen suchen.
Vlhová ist eine Allrounderin, und es wäre zu kurz gedacht, wenn man sagen würde, dass der Ski Weltcup nur an Ski-Asse aus dem technischen Bereich gehen könnte. Im vorletzten Winter gewann bei den Herren Aleksander Aamodt Kilde. Der norwegische Speedspezialist, der auch im Riesenslalom recht gute Resultate aufzuweisen hat, profitierte von der Veränderung des Kurvenradius in der Grundlagendisziplin. Heuer machte ihm eine Verletzung einen Strich durch die Rechnung, eine mögliche Titelverteidigung betreffend.
Der frühere eidgenössische Skirennläufer Didier Défago bringt einen interessanten Denkanstoß ins Spiel. Es kann durchaus sein, dass einige Weltcupdestinationen wie Wengen und Kitzbühel anstelle der Slaloms einen weiteren Super-G austragen könnten. So könnte die Differenz gleich um vier Rennen geringer werden. Doch fest verankerte und terminierte Rennwochenende lassen sich nicht so leicht aus den Angeln heben und anders ausrichten. Der Schweizer weiß, dass ein Torlauf rein marketingtechnisch ein großes spannendes Spektakel bietet und bei den Fans und Athleten beliebt ist.
Die vor kurzer Zeit zu Ende gegangene Saison hat gezeigt, dass es durchaus Sinn macht, wenn an einem Ort zwei Abfahrten in Folge über die Bühne gehen. Die Corona-Pandemie hat somit indirekt direkt auch positive Seiten, wenn man viele Reisen reduziert. Eine ungute Sache wird mit dem Wetter verbunden. Ein Slalom wird nicht so schnell wie eine Abfahrt abgesagt.
Trotzdem wird es eine komplette Ausgeglichenheit so nicht geben. Die Schweizer Skifans wissen aber, dass Marco Odermatt, der in drei Disziplinen erfolgreich ist, ein heißer Kandidat für die große Kristallkugel ist. Sein Teamkollege Loic Meillard, der in den technischen Disziplinen zu Hause ist und im Super-G Fuß fassen will, kann auch irgendwann seine Ambitionen erfüllen. Und Lara Gut-Behrami hat gezeigt, was in ihr steckt. Es ist jedoch klar, dass bei einem ausgeglichenen Weltcupkalender der elitäre Kreis der Gesamtweltcupsieganwärterinnen und -anwärter größer wird. Ähnliches kann man somit auch von der Spannung behaupten.
Bericht für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner
Quelle: welovesnow.news.raiffeisen.ch