Vagen bei Rosenheim – Christoph Brence ist ein junger motivierter DSV-Skirennläufer, der in den Speeddisziplinen erfolgreich ist und sich langsam, aber sicher, für höhere Aufgaben empfehlen will. Mit uns sprach er über seine Anfänge, seine Zeit im Sommer und vieles mehr. Seien Sie also gespannt, was der 20-jährige Rohdiamant uns zu sagen hat.
Christoph, kannst du uns bitte in ein paar Worten deine bisherige sportliche Karriere nachskizzieren? Wann bist du das erste Mal auf Skiern gestanden, was erzählst du uns über deine ersten Rennen und wann keimte erstmals in dir der Wunsch auf, Skirennläufer zu werden?
Es war wahrscheinlich wie bei so vielen. Meine Mutter hat mich im Alter von drei Jahren am Schlittenberg im Dorf auf die Skier gestellt. Kein Wunder, sie war selber aktive Skirennläuferin und hatte in ihrer Jugend viele Erfolge gefeiert. Durch zwei Kreuzbandrisse musste sie jedoch im Alter von 19 Jahren – sie war im C-Kader des DSV – sehr früh ihre Karriere beenden.
Ich war vier Jahre alt, als ich mein erstes Kinderrennen bestritt. Dann ging es sukzessive mit regelmäßigen Trainingseinheiten im etwa 45 km entfernten Sudelfeld zweimal pro Woche weiter. Im Auto aßen wir und dann ging es schon zum Lift. Mein damaliger Trainer Harry Fietz vom SV Bruckmühl wartete schon sehr lange um dann uns – mein Bruder war auch Skifahrer – zu trainieren. Im Audi-Cup konnte ich mich erstmals mit anderen Nachwuchsathleten aus dem Inngau messen und meine ersten Rennen gewinnen.
Mit elf Jahren stand ich im Aufgebot der Schülermannschaft des SV Inngau. Ein Kreuzbandriss verhinderte einen Start bei den Rennen, aber die Betreuer wie am Ende Stefan Vogel motivierten mich, weiter zumachen. Zweimal konnte ich die Gesamtwertung des Sparkassen-Cups für mich entscheiden. Im Laufe der Zeit standen U-16-Rennen an und auch hier konnte mein Talent durch gute Ergebnisse beweisen. Mit Carina Stuffer und Jacob Schramm stieg ich in der letzten Schülersaison in den Bayerischen Landeskader auf. Der Wechsel ans CJD Berchtesgaden brachte einen Trainerwechsel mit sich. Markus Lenz half mir auf und neben der Piste, um persönlich und sportlich zu reifen.
Am Sportinternat verbrachte ich die folgenden zwei Jahre mit Training, Schule, Training und Schule. Ich könnte viele Geschichten von Jugendleitern erzählen, denn da oben gibt es ohne Handyempfang und Führerschein nicht viel. Nachdem ich das Fachabitur erlangte, konnte ich etwas durchatmen. Vor ziemlich genau zwei Jahren kam ich zur Sportfördergruppe der Bundeswehr. Neben der finanziellen Unterstützung durch den Bund konnte ich mich erstmals voll und ganz auf das Training konzentrieren und erste Europacuprennen bestreiten. Auch durfte ich bei der Junioren-WM teilnehmen, zweimal bei der Weltcupabfahrt auf der Garmischer Kandahar als Vorläufer fahren und den Abfahrtssieg im Rahmen der Deutschen Meisterschaft in der U-21-Kategorie einheimsen.
Mit Jacob Schramm stieg ich in die Leistungsgruppe 1b auf. Der letzte Winter verlief etwas konfus. Nach einer guten Vorbereitung wurden wir nach einer ungenügenden Leistung in den ersten Riesenslaloms aus der Mannschaft genommen. Für ungefähr zwei Monate trainierten wir mit der Landesgruppe und dem Nationalkader 1 durch die Skigebiete. Ferner musste ich nach einem Sturz im Sarntal fünf Wochen pausieren. Die Saison verlief alles andere als rund. Der abermalige Sieg bei der Juniorenmeisterschaft in der Abfahrt und die beste Platzierung eines DSV-Athleten im Rahmen der Junioren-WM waren halbwegs versöhnliche Höhepunkte des Winters.
Hast du ein Idol im Skiweltcup oder nicht? Wenn ja, wie bedeutsam ist es deiner Meinung nach, Vorbilder zu haben, rein sportlich oder privat?
Mein großes Idol als Kind war immer Bastian Schweinsteiger. Er ist ein Weltklasse-Fußballer. Bis zu seinem 13. Lebensjahr stand er, wie man weiß, auch auf den Brettern. Finanziell gesehen hat er sich, als er nur noch dem runden Leder nachlief, wahrscheinlich für die bessere Sportart entschieden. (lacht)
Auch mir stand aufgrund des – von meinem Vater erhaltenen – Talents einige Angebote von größeren Fußballvereinen und auch die Möglichkeit, entweder die Skier weiterhin anzuschnallen oder mich für das Kicken zu entscheiden. Mein damaliger Coach Stefan Vogel und meine Mutter überzeugten mich in einem gemeinsamen Gespräch, weiter Ski zu fahren. Die Chancen, sich eventuell bis zur Weltspitze weiter zu entwickeln, sahen sie größer. Bis jetzt war die Entscheidung richtig. Das war der Punkt, an dem für mich klar war, dass ich für mich wusste, im Skifahren weit zu kommen. Dafür hatte ich meine zweite Leidenschaft aufgegeben.
Als ich den Fokus nur auf das Skifahren legte, hatte ich auch meine Vorbilder. Ted Ligety, Marcel Hirscher und natürlich Felix Neureuther zählten dazu. Jeder junge Skirennläufer, so denke ich, träumt davon, irgendwann so gut wie die Großen im Fernsehen zu fahren, im Weltcup zu starten und erfolgreich zu sein. Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass jeder davon träumen soll.
Da es im Sommerhalbjahr keinen Schnee gibt, gibt es bis auf die Trainingseinheiten in Übersee oder auf den Gletschern, jede Menge Trainingsmöglichkeiten, die nicht auf den zwei Brettern stattfinden. Was können wir über deine Aktivitäten in der warmen Jahreszeit in Erfahrung bringen und wieso kannst du den Satz, dass im Sommer die Basis für einen erfolgreichen Winter gelegt wird, unterschreiben?
Naja, die Abfahrt in Wengen dauert rund zweieinhalb Minuten. Da erklärt es sich fast von selber, was für ein hartes Training dafür erforderlich ist, um dort später einmal bestehen zu können. Somit ist neben der Skitechnik ein gut trainierter Körper ein Grundbaustein für einen erfolgreichen Winter. Ferner stehen in der Haupttrainingsphase bis zu 30 Trainingsstunden pro Woche auf dem Plan.
Da meiner Meinung nach das Skifahren zu den komplexesten Sportarten überhaupt zählt, müssen zahlreiche Trainingsbereiche abgedeckt werden. So wird natürlich viel Kraft für die Beine trainiert, aber auch viel Ausdauer (Rad bzw. Laufen). Um auf brenzlige Situationen beim Skifahren gut reagieren zu können, wird auch viel Schnellkraft trainiert. Ein weiterer Punkt ist die Kraftausdauer. Diese hilft dem Athleten lange Rennläufe, wie eben am Lauberhorn durchzuhalten oder ein Training mit bis zu zwölf Fahrten optimal nutzen zu können. Des Weiteren ist auch eine enorme Kraft im Oberkörper oder Rumpf erforderlich, um die Kräfte während eines Schwungs halten zu können.
Das war es aber noch nicht! Auch zahlreiche Einheiten für Koordination und Balance werden trainiert, um auf seinen zwei Brettern immer bereit zu sein oder beispielsweise nach einem 50-Meter-Sprung in der Abfahrt wieder kontrolliert auf beiden Beinen laden zu können.
Um bei dem ganzen Trainings nicht zu versteifen, sind eine gute Mobilität und Dehnbarkeit sehr, sehr wichtig. Und um das ganze Training zu „kontrollieren“, spulen wir natürlich auch zahlreiche Tests ab. Dazu gehören unter anderem der Ergometertest in der TU in München oder der legendäre Desmotronic-Test im Garmischer Olympiastützpunkt.
Warum sind das Gefühl für Schnee und Natur, aber auch die Freiheit und vieles mehr die Hauptfaktoren, Ski zu fahren? Der österreichische Liedermacher Wolfgang Ambros sieht in deiner Disziplin „das leiwandste, was man sich nur vorstellen kann!“ Was löst der Skisport, einerlei ob du Trainingsfahrten in den Schnee zauberst oder Rennen bestreitest, in dir persönlich aus?
„Wei Schifoan is des leiwandste, wos ma si nur vorstöhn ko“
Es gibt doch nichts Schöneres, als sein Hobby irgendwann zum Beruf zu machen, oder? Natürlich steht man in Saas Fee (Schweiz) etwa um vier Uhr in der Früh auf, um sich als erster an der Frühfahrt anzustellen. Aber ist man dann mal oben angekommen und schaut vom 3.800 m hohen Gipfel ins Tal und sieht die Sonne aufgehen, hat man schon das Lächeln im Gesicht. Ich selber nehme mir dann auch mal eine 2-3 minütige Auszeit, um nochmal durchzuatmen, bevor es dann mit dem täglichen Aufwärmprogramm losgeht. Das ist für mich ein Gefühl von Freiheit!
Krasses Gegenteil, das Adrenalin! Sich messen mit anderen, zeigen was man drauf hat. Man steht am Start, ist voll motiviert und weiß, sobald der erste Piepser der Zeitschranke ertönt, sind es noch wenige Sekunden, bis man alles um sich herum ausschaltet und nur man selber alles in der eigenen Hand hat. Geschwindigkeiten bei ca. 120 km/h oder weite Sprünge! Was gibt’s Geileres?!
Und da wären natürlich die Glücksgefühle nach einem guten Rennen oder „nur“ einem guten Trainingstag, an dem man direkt gemerkt hat, dass man sich verbessern konnte.
Ein Blick in die weite Zukunft. Wo sieht sich der gegenwärtige DSV-Nachwuchsathlet Christoph Brence in zehn Jahren?
Gute Frage! (lacht) Da bin ich ja schon 30!
Auf das Skifahren bezogen, will ich von meinem Sport leben können, und auch ein paar Jahre danach noch. Natürlich will ich ein Athlet sein, der erfolgreich im Ski Weltcup mitmischen kann und einmal das Gefühl spüren, wie es sich anfühlt, ganz oben zu stehen, durchs Ziel zu fahren und neben der Laufzeit eine grüne Eins zu sehen!
Privat lebe ich hoffentlich glücklich zusammen mit meiner derzeitigen Freundin, in einem eigenen Heim und vielleicht schon mit einem Kind, dem ich dann das Skifahren beibringen werde. Eventuell würde ich nach der aktiven Karriere eine eigene Skischule aufbauen. Und dann kann ich mich auf die nächsten 30 Jahre meines Lebens freuen.
Bericht und Interview für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner