Kreuth – Im Rahmen unserer beliebten Serie „Skiweltcup.TV kurz nachgefragt“ baten wir heute die deutsche Ski Weltcup Rennläuferin Viktoria Rebensburg zum Gespräch. Im letzten Winter erlebte sie sowohl schöne als auch nicht so schöne Momente. Am Tag nach ihrem Sieg bei der Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen kam sie beim Super-G ebendort zu Sturz. Die Verletzung, die sie sich dabei zuzog, trug dafür Sorge, dass die Ski Weltcup Saison 2019/20 zu Ende war. Des Weiteren sprachen wir im Interview mit ihr über ihren Genesungsverlauf, die Trainingseinheiten und vieles mehr.
Viktoria, wie würdest du deine Ski Weltcup Saison 2019/20 beschreiben und benoten, zumal sie durch deine Verletzung etwas früher zu Ende ging? Und weil wir von deiner in Garmisch-Partenkirchen zugezogenen Verletzung sprechen – was können wir über deinen allgemeinen Genesungszustand und deine Vorbereitungen im Hinblick auf die neue Saison in Erfahrung bringen?
Wenn ich auf die letzte Saison zurückblicke, muss ich über den Riesentorlauf und die Speed-Disziplinen gesondert reden. Mein Riesenslalom-Winter war wechselhaft, denn die Rennen verliefen selten so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Nur teilweise gelangen mir gute Läufe, oftmals konnte ich mein Potenzial nicht voll ausschöpfen, wie beispielsweise im zweiten Durchgang in Sestriere. Fakt ist auch, dass die Konkurrenz in dieser Disziplin groß ist und das Niveau hoch, sodass man auf höchstem Level unterwegs sein muss, um zu gewinnen. Im bevorstehenden Winter möchte ich im Riesentorlauf wieder zu meiner alten Stärke finden und konstant gut fahren.
Mit dem Sieg im Super-G von Lake Louise bin ich optimal in den Speed-Saison gestartet. In den nächsten Rennen hatte ich ein paar Probleme; dennoch kann ich hier von einem guten Saisonverlauf sprechen. Das Highlight war der Sieg bei der Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen. Damit ist es mir eine weitere Zielsetzung meiner Karriere gelungen, nämlich, dass ich in allen Disziplinen, in denen ich an den Start gehe, mir auch ein Weltcupsieg gelingt. Umso schöner, dass dies vor heimischem Publikum und bei einer schweren Abfahrt war, die von uns Athletinnen jede Menge abverlangte.
Die Verletzung im Super-G am nächsten Tag war dann sehr bedauerlich, zumal ich mich auch in dieser Disziplin in einer sehr guten Form befand. Aber so ist das eben, ich weiß auch, welche Risiken meine Sportart bereithalten kann. Die Reha anschließend ist gut verlaufen und ich bin froh, dass ich so ein gutes medizinisches Team um mich habe, um wieder fit zu werden. Ich kann wieder normal trainieren und freue mich, jetzt dann wieder auf den Skiern zu stehen.
Aufgrund der Corona-Pandemie wirst du wohl nicht in Argentinien trainieren. Ist der Mensch auch in dieser Sache ein Gewohnheitstier, oder ist es für dich nicht schlimm, wenn heuer die Einheiten in Südamerika ausfallen? Welche Ersatzorte hast du in deinem Terminkalender notiert, und auf welche Trainingseinheiten legst du somit einen besonderen Wert bzw. den Schwerpunkt?
Nein, Argentinien wird dieses Mal ausfallen. Zur Saisonvorbereitung werde ich wohl wieder nach Sass-Fee reisen. Dort war ich zuletzt öfters, denn die Gegend rund um die schweizerischen Gletscher hat mir immer gute Trainingsmöglichkeiten geboten. Dessen ungeachtet müssen wir abwarten, wie sich die Situation um die Corona-Pandemie entwickelt und welche Auswirkungen dies für uns noch haben wird.
Der Trainingsschwerpunkt wird auf dem Riesenslalom liegen. Hier will ich an meiner Konstanz arbeiten. Trotzdem werde ich auch einige Einheiten im Speed-Bereich absolvieren, gerade hinsichtlich meiner Ambitionen im Super-G. Ich hoffe, dass alle geplanten Einheiten gut verlaufen und auch stattfinden. Das Wichtigste ist jedoch, dass ich wieder auf Skiern stehe. Seit meinem Sturz Mitte Februar bin ich nicht mehr Ski gefahren. So ist es bedeutend, dass ich wieder das Vertrauen zurückerlange.
Im letzten Winter hast du in Garmisch-Partenkirchen die Abfahrt gewonnen; 24 Stunden später musstest du mit deinem Sturz im Super-G an gleicher Ort und Stelle deine Saison leider vorzeitig beenden. Gehört das sprichwörtliche „Wechselbad der Gefühle“ zum Skirennsport dazu, oder hast du nun zur Kandahar eine Hassliebe entwickelt?
Nein, zur Kandahar habe ich keine Hassliebe entwickelt. Verletzungen gehören im Endeffekt zu meinem Sport dazu. Es ist passiert, und daran kann ich jetzt nichts mehr ändern. Vielmehr habe ich die schönen Augenblicke rund um den Sieg in der Abfahrt im Kopf. Diese Momente zeigen mir, dass ich noch viel erreichen kann und was alles möglich ist. Dementsprechend setze ich alles daran, diese schönen Momente zu wiederholen und darauf arbeite ich hin.
Derzeit wird die Thematik, ob die alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Cortina d’Ampezzo im Februar 2021 oder im Anschluss an die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking ausgetragen werden sollen, heiß diskutiert. Nicht wenige, renommierte Athletinnen und Athleten können zwei Großveranstaltungen im Jahr 2022 nichts Positives abgewinnen. Wie stehst du dazu, und wie würdest du als etwaige FIS-Präsidentin in so einer Situation reagieren und handeln?
Das ist keine leichte Frage. Ich kann nicht abschätzen, wie das Ganze nun ablaufen wird. Als Sportlerin kann ich definitiv sagen, dass es unmöglich ist, dass die Olympischen Winterspiele und die Ski-Welttitelkämpfe im gleichen Jahr stattfinden. Man bereitet sich körperlich intensiv darauf vor. Für beide Events wäre es keineswegs förderlich, beide dicht aufeinandergefolgt zu veranstalten. Dadurch würden beide Großveranstaltungen jede Menge an Wert verlieren. Wenn ich der FIS als Präsidentin vorstehen würde, würde ich alles versuchen, dass im nächsten Jahr in Cortina die Ski-WM über die Bühne gehen kann.
Bericht und Interview für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner