In den kommenden Tagen (5. bis 14. März) finden im norwegischen Narvik die alpinen Junioren-Weltmeisterschaften statt. Nach den für die Schweizer Equipe äusserst erfolgreichen Titelkämpfen der letzten zwei Jahre sind die Erwartungen hoch. Im Interview mit Swiss-Ski.ch erzählt der Nachwuchschef Hans Flatscher, wie er die Chancen des Teams einschätzt, weshalb Normalität wahren so wichtig ist – und welchen Einfluss die Junioren-WM auf die weitere Karriere der Athleten hat.
Für die meisten Junioren ist die WM der erste Grossanlass. Was sind die grössten Sorgen der Athleten?
Die Athleten wollen nicht einfach nur mitfahren, sondern auch um Medaillen kämpfen. Somit sorgen sie sich auch darum, am Tag X nicht ihre beste Leistung abzuliefern.
Was rätst du den Athleten, damit sie mit der Nervosität umzugehen wissen?
Sie sollen die WM so normal und nüchtern angehen wie jedes andere Rennen auch. Alles, was man um Weiten besser oder total anders machen will, ist grundsätzlich gefährlich. Die Chance, das Beste aus sich rauszuholen, ist am grössten, wenn das ganze Drumherum normal und vertraut ist.
Welche Ziele stehen für dich an der WM im Fokus?
Medaillen zu machen.
Wie schätzt du die Machbarkeit ein?
Es wird sehr anspruchsvoll, an die erfolgreichen letzten beiden Jahre anknüpfen zu können. Diesmal ist es nicht ganz so einfach: Von der Garde von damals haben mittlerweile einige im Ski Weltcup Fuß gefasst und andere sind nicht mehr startberechtigt. Nichtsdestotrotz wollen wir das Maximum herausholen.
Das Maximum an solchen Titelkämpfen sind die angesprochenen Medaillen. Wie viele sollen deine Athleten holen?
Im Vorfeld eine Anzahl zu nennen, ist schwierig und realistisch betrachtet so nicht umsetzbar. Man hofft natürlich auf zahlreiche Medaillen, aber dafür spielen viele Faktoren eine Rolle, der Grat ist enorm schmal. Im Zentrum steht für uns, die Leute so gut vorzubereiten, dass sie ihre maximale Leistung abrufen können – wenn dabei eine Medaille herausschaut, wunderbar.
Welche Bedeutung hat eine Junioren-WM für die Karriere eines Athleten?
Jeder Athlet hat das Ziel, irgendwann an der Weltspitze mitzufahren. Eine Junioren-WM ist ein Grossanlass und somit eine weitere Erfahrung auf diesem Weg, die man nutzen sollte – nicht mehr, nicht weniger.
Bedeutet eine Medaille an der Junioren-WM den sicheren späteren Erfolg im Weltcup?
Keinesfalls. Es ist eine gute Voraussetzung, wenn man eine Medaille holt, aber das bedeutet noch lange nicht, dass du es im Weltcup auch an die Spitze schaffst. Eine Medaille an einer Junioren-WM gibt da keine Garantie. Deshalb ist es wichtig, dass die Athleten und ihr Umfeld dies richtig einordnen. Natürlich darf man sich über den Erfolg freuen, doch es gilt auch, am Boden zu bleiben und die nächsten Etappen anzugehen.
Bei Marco Odermatt hat die Etablierung im Weltcup geklappt – nach fünf Goldmedaillen an der Junioren-WM 2018 in Davos. Du findest also, dieser Medaillenregen hatte gar keinen Einfluss auf sein schnelles Einfinden auf höchster Stufe?
Bei Marco Odermatt sprechen wir von einer Ausnahmeerscheinung. Er war in allen Stufen, in jedem Alter gut – vom Grand Prix Migros über FIS-Rennen und Europacup bis hin zum Weltcup. Natürlich gibt jeder Erfolg einen Motivationsschub und Selbstvertrauen – egal, ob es sich dabei um die Junioren-WM oder ein Europacup-Rennen handelt. Das sind Elemente, die wichtig sind, damit du vorwärtskommst.
Odermatt stünde deiner Meinung nach heute also an demselben Ort, auch wenn er in Davos nicht so erfolgreich gewesen wäre?
Hätte er die eine oder andere Medaille weniger gemacht, wäre er heute gleich weit. Natürlich bietet sich nach so erfolgreichen Titelkämpfen eine gute Ausgangslage, aber das Entscheidende ist, dass man den Weg konsequent weitergeht und hart arbeitet. Das sieht man auch an Siegerinnen und Siegern der Junioren-WM, die im Weltcup nie richtig Fuss gefasst haben.
Odermatt hat massgeblich dazu beigetragen, dass das Schweizer Team die Junioren-WM 2018 auf dem 1. Platz des Medaillenspiegels beenden konnte. Auch die Marc Hodler Trophy hat man gewonnen. Beide Wertungen konnte das Team auch 2019 für sich entscheiden. Inwiefern setzt dies dich und die Athleten unter Druck?
Ich bin der Meinung, dass man sich Druck immer selber macht. Die letzte Junioren-WM in Val di Fassa war sehr speziell, weil die Medaillen von vielen verschiedenen Athleten geholt wurden. Auch heuer sind wir breit aufgestellt – wenn alles so spielt, wie wir uns das wünschen, können wir sehr erfolgreich sein. Aber natürlich muss unser Anspruch sein, dass wir als Skination Schweiz Medaillen holen. Aber ob das dann auch klappt, ist eine andere Geschichte.
Wie hat sich durch die Erfolge der letzten beiden Jahre die öffentliche Erwartungshaltung ans Junioren-Team verändert?
Die Erwartungen waren vor den zwei Jahren hoch und sie sind es auch jetzt noch. Aber so muss es auch sein. Wir investieren so viel in den Nachwuchssport, dass auch etwas dabei herausschauen muss. Ansonsten müssen wir über die Bücher.
Du hast von 2012 bis 2018 als Cheftrainer die Schweizer Ski-Frauen, allen voran Lara Gut-Behrami, an die Spitze geführt. Inwiefern lassen sich diese Erfahrungen auf die Jungen ummünzen?
Es gibt vieles aus der Arbeit mit der Elite, das mir heute bei den Junioren hilft. Ich glaube zum Beispiel, gut abschätzen zu können, was wichtig ist und was nicht, welche Dinge man priorisieren muss, welche eher nicht. Das hilft mir dabei, den Fokus auf die Dinge zu legen, die entscheidend sind – im Moment und in Zukunft.
Welche Unterschiede stellst du zwischen Junioren und der Elite fest?
Beim Weltcup geht es klar ums Gewinnen. Dafür muss man enorm ins Detail gehen, den Fokus auf Sachen legen, die im Nachwuchs vielleicht noch nicht ganz so entscheidend sind. Allgemein stehen auf Stufe Nachwuchs die Ausbildung und die Entwicklung im Vordergrund.
Was willst du nach der WM über deine Athletinnen und Athleten lesen und hören?
Dass sie gut waren.
Ein Athlet soll also gemäss deiner Definition nach dem Rennen sagen können, er habe das Beste aus sich herausgeholt?
Natürlich ist das zentral. Aber wenn am Ende trotzdem nichts dabei herausschaut, bin ich doch nicht zufrieden (lacht). Auf die Platzierung kommt es halt trotzdem an – das kann man nicht wegdiskutieren.
Quelle: www.Swiss-Ski.ch