Am 4. November 2018 verunglückte der damalige A-Kader-Skirennfahrer Gian Luca Barandun bei einem Gleitschirmunfall tödlich. Am Samstag jährt sich die Tragödie zum fünften Mal. Zwei Swiss-Ski-Weggefährten erinnern sich an einen jungen Mann voller Tatendrang, der sie nach wie vor bei jedem Schwung begleitet.
Nach und nach, sagt Gilles Roulin, heile die Zeit Wunden. Doch verschwinden werden sie nie. «Die Zeit macht aus Wunden Narben, die für immer bleiben.» Narben, die als Erinnerungen dienen. Diese seien sehr schön und sehr traurig zugleich. «Aber es muss weitergehen, weil man es nicht ändern kann.»
Fünf Jahre ist es am 4. November her, seit Gian Luca Barandun mit dem Gleitschirm tödlich verunglückte. Er, der Bündner, der Diamant, die Speed-Hoffnung. Er, der Gilles Roulin 13 Jahre lang Skikollege und Freund war, der ihn beeindruckte mit seiner Loyalität, seinem Engagement und seinem Fleiß. Und der ihn manchmal zur Verzweiflung trieb. «Ich bin schon ziemlich stur», gibt Roulin zu. «Doch bei Bari kam es vor, dass er sich als genauso stur, bisweilen sogar noch sturer als ich herausstellte. Wenn sich dann einer besonders beharrlich verhielt, konnten wir herrlich darüber lachen.»
Nur allzu gerne denkt Gilles Roulin an Gian Luca Barandun zurück – auch wenn es wehtut, nach wie vor. «Nach dem Schock brauchte die Verarbeitung viel Zeit, und die Narben erzählen die ganze Geschichte – sowohl die schönen Erinnerungen als auch die Katastrophe», sagt Roulin. «Ich denke viel an ihn, an Momente im Training, in denen wir es sehr lustig hatten, oder an Rennen, die für beide gut liefen. An ihn zu denken, sind schöne Momente. Aber auch Momente, in denen er enorm fehlt.»
«Da kannte er nichts»
Fehlen. Gian Luca Barandun tut es überall. Auch und vor allem im Team, dem er mit seiner Art gutgetan habe, wie Vitus Lüönd sagt, der ihn als Trainer von 2015 bis 2018 begleitete und seine Entwicklung bis in den Weltcup hautnah mitverfolgte. Gian Luca sei immer vorangegangen. «Ich erinnere mich, als wir einmal bei wirklich schlechtem Wetter auf dem Schnee waren. Ich ließ jedem offen, ob er noch zwei, drei Fahrten machen wollte oder lieber zusammenpacken», erzählt der Zentralschweizer. «Gian Luca sagte: ‹Im Winter gibt es auch mal schlechtes Wetter, kommt schon!› Schließlich ging das ganze Team mit ihm mit und absolvierte noch einige Fahrten.» Eine Anekdote, die Barandun besonders gut beschreibt. Sein Engagement und seine Motivation suchen heute noch ihresgleichen. «Davon könnte sich der eine oder andere eine Scheibe abschneiden. Das war einfach Bari, da kannte er nichts», sagt Lüönd.
Eigenschaften, die auch Roulin stets bewunderte. «Gian Luca jammerte nie, das schätzte ich enorm», sagt er. «Er sah immer das Positive, war total loyal.» Qualitäten, die ihn zu einem «einfachen Athleten» machten, wie Lüönd erklärt. «Wenn man ihm etwas sagte oder einen Tipp gab, versuchte er sofort, das umzusetzen. Und wie es ihm entsprach, passierte das meist sehr schnell. Das war eine große Stärke von ihm.»
Eine verschworene Bande
Obschon er vom gesamten Team geschätzt wurde, verband Gian Luca Barandun eine besondere Freundschaft mit Gilles Roulin und Stefan Rogentin. Seit Kindheitstagen waren die drei gemeinsam unterwegs, zunächst primär als Konkurrenten. Roulin und Rogentin lernten sich bereits in der Primarschule kennen, Barandun kam später dazu, als sie alle im C-Kader von Swiss-Ski waren. Von Rivalität kann indes kaum die Rede sein. «Anfangs war es schon ein Konkurrenzkampf, wer der Bessere ist, aber das wurde schnell eine Freundschaft», erzählt Roulin. «Wir teilten die gleichen Ziele, und auf dem Weg dorthin halfen wir uns gegenseitig.» Das Ergebnis war eine Gruppe von jungen Athleten, die eng verbunden waren und sich gegenseitig unterstützten, wo sie konnten. Eine verschworene Bande, die gemeinsam durch die Höhen und Tiefen der Sportkarriere ging.
«Das Teamgefühl ist enorm wichtig», sagt Roulin. «Wir waren eine Einheit, wir waren für einander da, und das hat uns stark gemacht.» Für Roulin, Rogentin und das gesamte Swiss-Ski-Team ist Gian Luca Barandun auch fünf Jahre nach seinem tragischen Tod unvergessen. «Es fühlt sich manchmal an, als wäre es gestern gewesen», sagt Roulin. «Er ist immer bei uns, bei jedem Schwung, bei jedem Rennen. Er hat uns gezeigt, dass es mehr als nur ums Gewinnen geht. Es geht darum, zu leben und den Moment zu genießen. Wir versuchen, sein Vermächtnis in Ehren zu halten.»
Während Roulin und Rogentin ihre Karriere fortsetzen, bleibt die Erinnerung an ihren Freund und Teamkollegen Gian Luca Barandun lebendig. In den Gesprächen, in den Gedanken und besonders im Herzen, wenn sie auf die Pisten treten, die sie alle geliebt haben. Sie tragen sein Andenken nicht nur in ihren Erinnerungen, sondern auch in der Art und Weise, wie sie den Sport und das Leben angehen. „Manchmal, wenn ich an der Startlinie stehe, denke ich an ihn, und es gibt mir Kraft“, sagt Rogentin. „Es ist, als ob ein Teil von ihm immer noch da ist, der uns antreibt.“
Die Verbundenheit, die sie durch ihren Sport und ihre gemeinsamen Erfahrungen aufgebaut haben, schafft eine unwiderrufliche Bindung, die auch über den Tod hinaus Bestand hat. Für Roulin, Rogentin und viele andere im Swiss-Ski-Team ist der 4. November nicht nur ein Tag der Trauer, sondern auch einer der Dankbarkeit – Dankbarkeit für die Zeit, die sie mit Gian Luca Barandun teilen durften, und für die Lektionen, die er ihnen erteilt hat.
„Sein Geist und seine Einstellung zum Leben und zum Skisport – diese Dinge leben in uns weiter“, sagt Lüönd. „Und obwohl es schmerzt, dass er nicht mehr physisch unter uns weilt, spüren wir alle, dass seine Präsenz uns immer noch leitet. In jedem Rennen, jedem Training, jeder Herausforderung. Er bleibt ein Teil von uns.“
In Erinnerung an Gian Luca Barandun finden am Jahrestag seines Todes kleine, persönliche Zeremonien statt, bei denen Teammitglieder, Freunde und Familie zusammenkommen, um sein Leben zu feiern und die Momente zu würdigen, die er mit ihnen geteilt hat. Es sind Momente, die zeigen, dass der Verlust eines Freundes zwar eine Lücke hinterlässt, aber auch die Verpflichtung birgt, in seinem Sinne weiterzumachen – stark, vereint und immer mit einem Lächeln im Gesicht, so wie er es getan hätte.
Quelle: Swiss-Ski.ch
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