Peking – Trotz zweier Ausfälle erlebt der mittlerweile 37-jährige italienische Slalomspezialist Giuliano Razzoli, seines Zeichens vor zwölf Jahren im kanadischen Vancouver Olympiasieger, seinen zweiten Frühling und in seiner Paradedisziplin einen Traumwinter. In Wengen kletterte er erstmals seit sechs Jahren auf ein Weltcuppodest und in Kitzbühel war er fast reif für den Sieg.
Im Januar 2016 riss er sich am Ganslernhang das linke Kreuzband; diese Verletzung führte ihn in eine schwierige Phase seiner sportlichen Laufbahn. Die Zeit zwischen 2016 und 2018 war schwierig; er musste einen Neuanfang wagen. In der Wertung lag er weit zurück; das Pech mit den Punkten sorgte dafür, dass er viel verlor. Er verletzte sich im besten Moment seiner Karriere und war klarerweise traurig und verbittert. Der Kummer gab ihm dessen ungeachtet den Ansporn, weiterzukämpfen und sich vom Unglück zu befreien.
Es ist kein Geheimnis, wenn man sagt, dass es ihm sportlich und auch sonst gut geht. Er konnte in den vergangenen zwei Jahren kontinuierlich und ohne körperliche Schmerzen trainieren. Folglich konnte er seine Technik bestmöglich zum Ausdruck bringen und die notwendigen guten Ergebnisse erzielen.
Lange musste er auf den heißersehnten Sprung auf das Treppchen warten. Der Auftritt in Wengen war reich an Emotionen. Ähnliche Gefühle kamen in ihm im Dezember 2018 hoch, als er mit der Startnummer 69 Fünfter wurde. Da wusste er, dass er wieder zu den Besten gestoßen ist. In den vergangenen zweieinhalb Jahren war er knapp am Podest dran und nun konnte er den nächsten Schritt setzen. Die Erfahrung und sein sauberer Stil haben ihm dazu verholfen, gute Resultate zu erzielen. Er fragt sich auch nicht mehr, wie er an bestimmten Orten vor zehn Jahren gefahren ist.
Die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Peking war jahrelang sein Ziel, zumal er die Wettkämpfe in Südkorea vor vier Jahren verpasste. Er will nun in China alles Mögliche unternehmen, um ein Erfolgserlebnis zu feiern. Die Routine ist wertvoll, auch er weiß, dass der Torlauf ein Lotteriespiel ist. Er hofft, zu den Besten zu gehören.
Die laufende Saison zeigt eindrucksvoll, dass die Dichte enorm ist und in der Disziplinenwertung alle eng beieinander liegen. So gibt es laut Razzoli viele Kandidaten auf Edelmetall. 15 können darum kämpfen, und da es keinen Ausreißer gibt, wird es ein sehr harter Kampf werden.
Im Vergleich zu den Spielen in Vancouver, die der Italiener goldig beendete, meint der Slalomspezialist, dass man das kaum gegenüberstellen kann. Auch in Kanada war der Level hoch; damals kämpften sechs, sieben um die Medaillen und Razzoli gehörte zu den Favoriten.
Dass Ski-Italien auf ihn hofft, macht ihn stolz. Er will beim Slalom mit Spaß an die Sache herangehen und am Tag x seine besten Skier auspacken. Auf die Frage, ob Razzoli nach der Podestplatzierung in Wengen schon einmal mit der kleinen Kristallkugel geflirtet habe, betont der 37-Jährige, dass er nie darüber nachdachte. Es macht keinen Sinn, sie in die Gedanken einzubauen, denn am Lauberhorn hieß sein Ziel Peking.
Am Ganslernhang kämpfte er um den Sieg mit und auch auf der Planai wollte er unter die besten Drei fahren. Das hätte ihn wohl, rein von der Startnummer her, unter die besten 15 bugsiert. An die kleine Kristallkugel kann man erst denken, wenn nur noch ein bis zwei Rennen anstehen und die Chancen auf den Gewinn der begehrten Trophäe intakt und im Bereich des Realistischen sind. Razzoli dankt allen, die ihn im Laufe seiner bisherigen Karriere unterstützt haben. Er ist glücklich, so viele Fans und Freunde zu haben, die auch in den etwas schwereren letzten Jahren treu zur Seite standen und sich mit ihm über das Lauberhorn-Podium freuten.
Auch wenn sich Razzolis Karriere neigt, wäre es für ihn schön, wieder zu gewinnen. In Kitzbühel war es, wie mehrfach betont, fast der Fall. Und unter uns: Wer hindert den routinierten Athleten aus der Emilia-Romagna daran, erneut zu träumen. Auch wenn die sportliche Laufbahn fast beendet ist, ist sie noch nicht ganz vorbei. Er weiß, dass er eine Chance hat. Er wird alles in die Wege leiten und demzufolge versuchen, sie mit Leben zu füllen um sich weiterhin Träume zu erfüllen. Möglicherweise wird das schon in China geschehen.
Der Herren Ski Weltcup Kalender der Saison 2021/22
Der Damen Ski Weltcup Kalender der Saison 2021/22
Entscheidungen der Olympischen Winterspiele 2022
Bericht für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner
Quelle: neveitalia.it