Berchtesgaden – Jacob Schramm ist ein junger DSV-Skirennläufer. Er hat schon viel erreicht und möchte noch mehr schaffen. Er fühlt sich in den Speeddisziplinen am wohlsten und hofft, dass der Alpinen Kombination mehr Beachtung geschenkt wird. Zudem will er auch eines Tages wieder beschwerdefrei Riesentorlauf fahren können. Doch lesen Sie selbst!
Jacob, kannst du uns einen kleinen Einblick in deine bisherige sportliche Karriere gewähren? Waren deine Eltern auch als Skifahrer unterwegs?
Meine Karriere begann im eigenen Garten. Mein Vater, selbst begeisterter Skifahrer, hat mich als zweijährigen Knirps vor der Haustüre auf die Skier gestellt und mich einen schmalen Schneestreifen den 20 bis 30 Meter langen und eher flachen Hügel hinunterfahren lassen. Bremsen konnte ich natürlich nicht und deswegen landete ich bei meinem ersten Versuch auf dem Hintern. (lacht)
Mein Vater bestritt selbst nur DSV-Punkterennen und ging unter anderem im US-amerikanischen Sun Valley beim Masters Weltcup an den Start. Jedoch hatte er laut eigenen Aussagen nie die Qualität, den Durchbruch zu schaffen. Meine Mutter fährt erst, nachdem sie meinen Vater kennengelernt hat, Ski und hat keine Wettkampferfahrungen vorzuweisen. So steht sie nur hobbymäßig auf den Brettern.
Bis zu meinem zehnten Lebensjahr war ich dreigleisig unterwegs: So standen das Ski fahren (WSV Schwarzenbach am Wald, SC Münchberg), die Nordische Kombination (SV Warmensteinach) und der Fußball (JFG Oberland, FC Frankenwald) auf dem Programm.
Nachdem ich beim damaligen S10-Cup bei den Alpinen, dem erst zweiten deutschen Vergleichsrennen, den zweiten Platz belegte, entschied ich mich, mit der Kombination aufzuhören. Ich war sowieso nie der dünnste und auch kein guter Läufer. Eigentlich konnte ich nur durch meine Sprungkraft und weniger durch die Technik überleben.
Der Stockerlplatz beim S10-Cup ermöglichte mir die Teilnahme am Felix-Neureuther-Skicamp. Weiter ging es dann mit den Schülerjahren. Im zweiten U14-Jahr entschied ich mich, aufgrund fehlender Trainingsmöglichkeiten in meiner oberfränkischen Heimat, den Skigau zu wechseln. Durch das angeführte Felix-Neureuther-Camp hatte ich bereits Bekanntschaft mit Carina Stuffer und Beni Marx vom Inngau gemacht. Ich wechselte zum SC Bad Aibling. Somit waren die Trainingseinheiten auf dem Gletscher gesichert. In den ersten drei Schülerjahren hielt ich mich erstaunlich gut, obwohl ich hauptsächlich in meinem Garten mit sechs bis acht Stangen Slalom trainierte und von Rennen zu Rennen fuhr. Im vierten Jahr änderte sich das Ganze, und viele Skifahrer aus dem Alpenraum waren besser als ich; sie überholten mich. Zum Glück wurde die Schülerzeit um ein Jahr verlängert.
In deiner noch jungen Laufbahn hast du bis in die Schülerzeit allerhand erlebt. Wer waren deine Betreuer bzw. welche Trainer haben deinen Entwicklungsgang entscheidend mitgeprägt?
Uns wurde mit Stefan Vogel ein neuer Trainer zugeteilt. Er leitete vorher den Skigau Oberland. Er trainierte mit uns im ganzen Herbst viel und hart. Diese Einheiten zahlten sich für mich wirklich aus. Außerdem erkannte Vogel bei meinem Freund und Teamkollegen Christoph Brence und mir eine gewisse Begabung auf den Super-G-Skiern.
Zudem verhalf mir Stefan auch im letzten Jahr des deutschen Schülercups zu mehreren Plätzen unter den Top-5 und einer guten Platzierung in der Gesamtwertung und einem ersten Start bei internationalen Vergleichsrennen. Am Ende einer mehr als zufriedenstellenden Saison wurde ich in den bayerischen Landeskader berufen. Dort wartete mit Markus Lenz ein neuer Trainer auf mich. Ich wechselte ins Berchtesgadener Sportinternat, weil ich erkannte, dass zuhause eine Förderung nicht mehr so möglich war.
Lenz erwies sich wie vorher Vogel als ein toller Förderer. Nach einer durchwachsenen ersten Saison fing auch er an, sowohl Christoph als auch mich in den Speeddisziplinen zu schulen. In meinem zweiten FIS-Winter konnte ich gute Resultate einfahren und bei vier Einsätzen im Rahmen der deutschen Jugendmeisterschaften drei Medaillen holen. Nur in der Abfahrt kam ich nicht ins Ziel. Durch das Engagement meines Betreuers durfte ich als einer der jüngsten Athleten und als erster aus dem Landeskader bei den Junioren-Weltmeisterschaften starten. In der Abfahrt war ich bester Deutscher und belegte den zweiten Platz in der U-18-Wertung. Diese gute Position sicherte mir im französischen Méribel meinen ersten Europacupstart. Trotz einer hohen Startnummer verkaufte ich mich mehr als sehr gut.
Durch diese Leistungen durfte ich zu Daniel Fischer in den C-Kader des DSV kommen. Ich bekam meine erste Einkleidung, absolvierte einige Trainingslager mit dem Speed-Europacup und war durch das harte Konditionstraining bei Fischer fit wie noch nie. Bis Anfang 2017 lief alles hervorragend, ehe ich mir beim Riesentorlauftraining im Südtiroler Sulden am Fuße des Ortlers das vordere Kreuzband riss. Auch das Innenband, der Meniskus und der Knorpel wurden in Mitleidenschaft gezogen. Als Ursache ortete ich das etwas überharte Training, eine leichte Krankheit, etwas Unkonzentriertheit, den Umgang mit neuem Material auf aggressiver Piste und ein möglicherweise fahrlässiges Aufwärmen vor dem Start. Wenige Tage vor Weihnachten 2017 wurde ich operiert und kurze Zeit später stand die Reha bei Marcus Hirschbiel auf dem Terminkalender.
Als die Kaderzusammenstellungen bekanntgegeben wurden, folgte eine Überraschung…
Ja, das kann man in der Tat so sagen. Ich wurde in der Leistungsgruppe 1b, also dem EC-Team mit Nationalkader 1-Status aufgelistet. Die Freude war riesig. Unter meinem neuen Trainer Stephan „Short“ Kurz absolvierte ich teilweise die Sommertrainings und begann verspätet mit den ersten Einheiten. Leider verlief nicht alles nach Wunsch, weil mein Knie nicht alles mitmachen wollte.
Die Leistungen im Riesentorlauf waren unverhofft schlecht, die ersten zwei Monate des Comebackwinters waren für mich der blanke Horror. Bei den ersten Speedrennen im Januar fühlte ich mich auf Anhieb etwas wohler. Bei der ungarischen Meisterschaft belegte ich einmal den ersten und einmal den dritten Platz. So konnte ich meine Super-G-Punkte verteidigen. Am Götschen zeigte ich zwei solide Super-G-Vorstellungen und landete im FIS-Rennen als Dritter auf der niedrigsten Stufe des Podests.
Bevor du dein Talent bei den Junioren-Welttitelkämpfen im Fassatal beweisen konntest, hast du noch einmal zuhause dein Können demonstriert…
Das stimmt. Beim FIS-Super-G in Garmisch-Partenkirchen, der sich durch ein starkes internationales Starterfeld auszeichnete, hatte ich Glück mit der Startnummer. Folglich zeigte ich erneut zwei gute Rennen, die mich mit guten Punkten belohnten. Ich sicherte mir den deutschen Jugendmeistertitel in der U-21-Wertung. Als Ende Februar 2019 die weltbesten Junioren im norditalienischen Fassatal gastierten, durfte ich die deutschen Farben in der Abfahrt, im Super-G und in der Kombination vertreten. Die Leistungen, auch wenn mehr drin war, waren für mich in Ordnung. Ich genoss dort die Zeit und freute mich über neue Freundschaften und gesammelte Erfahrungswerte. Zudem waren das Wetter und die Bedingungen toll. Am Ende war ich sehr glücklich, zumal ich mich durch eine so schwere Zeit gekämpft habe.
Am Ende der abgelaufenen Saison folgten noch die deutschen Meisterschaften. Auch diese fanden in Garmisch-Partenkirchen statt. Nach zwei guten Trainingsfahrten wurde ich im Rennen für mich enttäuschter Fünfter. Im Super-G und in der Kombination konnte ich bessere Resultate erzielen. Dann ging es nach Slowenien, nach Krvavec; dort konnte ich gute Punkte für die Abfahrtswertung erringen. Im Hinblick auf den neuen Winter bin ich wieder im Nationalkader 1 und darf mit Tim Jitloff, Stephan Schmid und Kurz trainieren. Im Sommer werde ich erneut bei Hirschbiel in Berchtesgaden arbeiten. Dort lebe ich auch als Sportsoldat bei der Bundeswehr, nachdem ich mein Abitur abgeschlossen habe.
Nach so einer so ausführlichen Beschreibung deines sportlichen Werdegangs stellt sich die Frage nach deiner Lieblingsdisziplinen! Wo bist du besonders erfolgreich und welche Optionen möchtest du dir für die Zukunft offenlassen?
Da ich in den Schülerjahren über den Slalom kam, fahre ich immer noch gerne kurze Schwünge. Meine Lieblingsdisziplinen sind vor allem im Speedbereich – also Super-G und Abfahrt – auszumachen. Ich bin begeistert von der Alpinen Kombination und hoffe, dass ihr irgendwann mehr Beachtung geschenkt wird. Im Riesenslalom fühle ich mich nach meiner Verletzung nicht mehr so wohl. Dennoch hoffe ich, dass ich gemeinsam mit Tim Jitloff gut daran arbeiten kann, um wieder wettkampffähig zu sein. Langfristig sehe ich mich im Super-G. Für die Abfahrt muss ich noch ein paar Kilos mehr auf die Waage bringen, aber das ist kein Ding der Unmöglichkeit.
Welche persönlichen Schwerpunktsetzungen hast du dir im Sommer zurechtgeschneidert? Mit wem und an was arbeitest du und was sind die besten Voraussetzungen für einen guten Winter?
Eine Pause hatte ich gleich nach der Bundeswehr, die uns Sportler ja auch fördert. Ich arbeite in Berchtesgaden mit dem Psychotherapeuten und Personaltrainer Hirschbiel, gemeinsam mit Christina Ackermann (vormals Geiger), Johannes Lochner (Bob), Felix Loch (Rodeln), Christopher Neumayer vom ÖSV und weiteren Athletinnen und Athleten an meiner Fitness.
Sowohl ein Ausdauer- als auch ein Kraftausdauerblock stehen an. Dann werde ich einen kurzen Hypertrophieblock bis hin zu den Maximal- und Schnellkraftübungen angehen. Die Rumpfkraft und die Koordination mit Ausgleichsübungen dürfen nicht fehlen, denn bei mir sind auch Dehnen und Mobilität ganz wichtig. Margot Zeitvogel-Schönthier in Bad Reichenhall hilft mir in zahlreichen Gymnastikstunden und ist eine wertvolle Stütze. Ich konnte im vergangenen Jahr nicht alles trainieren. Aufgrund meiner Knieverletzung waren somit unterschiedliche Einheiten keineswegs möglich. Es wird bedeutsam für mich sein, dies alles zu kompensieren und wieder aufzuholen, um dann so fit wie möglich in die neue Saison zu gehen.
Warum ist Skifahren das Schönste, was es gibt? Übst du auch noch andere Sportarten – wenn auch nur als Ausgleich – aus?
Skifahren ist für mich das Schönste, weil mir immer wieder dabei klar wird, dass man alles erreichen kann. Ich dachte niemals, so weit zu kommen und trotzdem stehe ich da, wo ich jetzt bin. Ich befinde mich am Beginn einer hoffentlich langen Reise, aber konnte schon so viele Erinnerungen und Erfahrungen sammeln, die ich ohne den Skirennsport sicher nicht gemacht hätte.
Lange Zeit habe ich zum Ausgleich Fußball gespielt. Nach meinem Kreuzbandriss traue ich mich aber nicht mehr, die Stollenschuhe anzuziehen und dem runden Leder nachzujagen. Mittlerweile habe ich viele andere Sportarten zur Ablenkung gefunden. Bergwandern, Laufen oder eine Runde mit den Inline-Skates und Radfahren sorgen für die nötige Entspannung. Neben dem Sport kann ich auch ein wenig abschalten und finde den Zugang in der Musik. Ich spiele etwas Klavier und Gitarre und schreibe, wenn auch laienhaft, Lieder, um Geschehenes zu verarbeiten. Der Kopf wird freier und das ist abseits des täglichen Trainings auch sehr wichtig.
Wo siehst du dich in zehn Jahren, sportlich wie privat…
Natürlich mit einer Frau und zwei Kindern, einer Tochter namens Frida und einem Sohn namens Hans oder so ähnlich. (lacht)
Grundsätzlich würde ich gerne in zehn Jahren soweit sein, dass ich durch den Skirennsport leben kann, während ich aktiv bin und vielleicht auch ein paar Jahre danach. Mit 30 ist man im Ski Weltcup im besten Abfahreralter. Aus diesem Grund sollte sich dann meine Laufbahn in Richtung Höhepunkt bewegen. Um jedoch nach der Karriere leben zu können, werde ich demnächst auch ein Fernstudium auf mich nehmen. Wer aber zudem mehr über mich und meine skifahrerischen Gedanken und Leistungen erfahren will, kann gut und gerne einen Blick auf meine Homepage www.jacobschramm.de werfen. Über einen Kontakt freue ich mich immer wieder gerne und jederzeit.
Bericht und Interview für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner