Bozen – Seit 2014 steht Arno Kompatscher Südtirol als Landeshauptmann vor. Wir von skiweltcup.tv unterhielten uns mit dem Politiker über die Olympischen Winterspiele 2026 (mit Südtiroler Beteiligung), die viel zitierte Nachhaltigkeit und vieles mehr. Zudem entlockten wir ihm einige private Aspekte rund ums Skifahren.
Herr Landeshauptmann Kompatscher, vor Kurzem waren in Sie in Lausanne, als der Ausrichtungsort der Olympischen Winterspiele 2026 bekanntgegeben wurde. Waren Sie etwas aufgeregt und können Sie bitte Ihre Stimmungsbilder und Emotionen etwas in Worte kleiden?
Lausanne war der bisherige Höhepunkt unseres Abenteuers Olympia 2026. Man darf nicht vergessen, dass die italienische Bewerbung äußerst kurzfristig erfolgte. Südtirol hatte die Chance, bestehende Sportstätten und touristische Strukturen im Sinne eines Nachhaltigkeitsgedankens in diese Bewerbung einzubringen. Das haben wir dann auch geschafft. Es war aber viel Arbeit, die Bewerbung auf die Beine zu stellen. Das IOC stellt hohe Ansprüche. In Lausanne war die Aufregung natürlich groß. Allen stand die Frage ins Gesicht geschrieben, ob der Einsatz der letzten Wochen und Monate belohnt würde. Es war eine positive Aufregung und ehrlich gesagt, hätte ich auch Stockholm den Zuschlag gegönnt. Ich hatte den Eindruck, dass es auch umgekehrt so war und das ist für mich schon ein erstes Erlebnis, das die Besonderheit und das Verbindende von Olympia zeigt. Olympische Spiele ausrichten zu dürfen, ist eine Ehre. Der Moment in dem klar wurde, dass wir es geschafft hatten, war unbeschreiblich. Das Glück und die Freude der Delegation aus Italien waren kaum zu bremsen.
Südtirol nascht durch die Austragung der Biathlonentscheidungen in Antholz am Olympiakuchen mit. Wie können nachhaltige Spiele gelingen und warum ist das in Zeiten wie heute das Um und Auf?
Nachhaltigkeit im Sinne eines Ausgleiches zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Ansprüchen und Notwendigkeiten ist ein Gebot unserer Zeit. Die Südtiroler Landesregierung hat sich in diesem Sinne den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verschrieben. Nachhaltige Spiele können meines Erachtens dort gelingen, wo es einen starken Bezug zu den ausgetragenen Sportarten gibt. Wo man nicht Strukturen baut, die nachher keinen Nutzen mehr bringen. Die Südtirol Arena in Antholz funktioniert bereits sehr erfolgreich und sie ist schon olympiatauglich. Es braucht keine zusätzlichen großen Investitionen oder Infrastrukturen. 2020 wird die Biathlon-WM in Antholz ausgetragen. Das ist eine mehr als würdige Generalprobe für Olympia. Ich kann mir offen gesagt kaum etwas Nachhaltigeres vorstellen, als bereits realisierte Infrastrukturen bestmöglich zu nutzen. Eine große Herausforderung ist natürlich die Mobilität. Da braucht es gute Konzepte, die nicht auf motorisiertem Individualverkehr aufbauen. Südtirol hat in dieser Hinsicht bereits wichtige Schritte in Richtung Nachhaltigkeit gesetzt und Olympia 2026 soll weitere Impulse geben.
Hätten Sie sich auch gefreut, wenn zum Beispiel auch in Gröden, auf der Gran Risa, in Obereggen, in Reinswald oder auf dem Kronplatz die Skientscheidungen durchgeführt worden wären?
Die genannten Skigebiete sind alle dafür bekannt, professionelle Organisationskomitees für größere sportliche Ereignisse zu haben. Mit ihrer guten Arbeit haben sie indirekt sicher zur Glaubwürdigkeit unserer Bewerbung beigetragen. Eine Austragung von Skibewerben an einem dieser Orte lag aber zu keinem Zeitpunkt im Bereich des Möglichen. Deshalb habe ich mich mit der Frage nicht näher auseinandergesetzt. Wir haben jetzt eine konkrete Chance, um Südtirol im Rahmen von Olympia 2026 gut zu präsentieren.
Was erwarten Sie sich wirtschafts- wie tourismuspolitisch von den Olympischen Winterspielen in Südtirol und wie entgegnen Sie jenen, die ein wenig Skepsis in Bezug auf das einmalige und wohl nicht so oft bevorstehende Wintersportereignis „vor der Haustür“ haben?
Ich erwarte mir keine große Wende durch die olympischen Spiele. Südtirol ist sowohl wirtschafts- als auch tourismuspolitisch auf einem guten Kurs. Es wäre vermessen, bei unserer hohen Tourismusintensität eine weitere Steigerung von Touristenströmen zu erwarten. Unsere touristische Kapazitätsgrenze ist erreicht. Jetzt geht es darum, die Wertschöpfung zu verbessern, die regionalen Kreisläufe zu stärken und die Begehrlichkeit zu steigern. Olympia kann unser positives Image bekräftigen und Südtirol einem internationaleren Publikum näherbringen. Denn nach wie vor ist die Diversifizierung unserer touristischen Märkte eine Aufgabe, die sich stellt. Olympia kann da ein wichtiger Hebel sein.
Abschließend ein kleines privates Fragenkonvolut:
Fährt Landeshauptmann und Sportlandesrat Arno Kompatscher auch Ski?
Ja, ich fahre sehr gerne Ski. Leider komme ich nicht sehr oft dazu. Wenn ich es einmal schaffe, einen Skitag – meistens auf der heimatlichen Seiser Alm – einzuplanen, dann genieße ich die Abfahrten mit meinen Kindern, die recht flott unterwegs sind.
Warum ist die Seiser Alm das schönste Skigebiet der Welt?
Ob die Seiser Alm das schönste Skigebiet der Welt ist, lasse ich lieber andere beurteilen. Sie ist mit Sicherheit die größte Hochalm Europas und von einer besonderen natürlichen Schönheit. Die Seiser Alm ist für mich das, was Heimat ausmacht: gutes Essen, schöne Landschaft und Freunde.
Sieht man Sie auch bei Ski Weltcup Rennen?
Ja, entweder als Zuschauer am Rande der Piste oder daheim vorm Fernseher.
Wem drücken Sie besonders die Daumen im Hinblick auf den bevorstehenden Winter 2019/20?
Das ist eine lange Liste. Als ehemaliger Sportler weiß ich, wieviel Arbeit, Schweiß und Schmerzen hinter dem Erfolg stecken. Diese Momente wünsche ich jeder und jedem, die dafür – meist von Kindesbeinen an – hart arbeiten. Natürlich bin ich immer besonders froh, wenn es sich bei den Siegerinnen und Sieger um Südtirolerinnen und Südtiroler handelt.
Bericht und Interview für Skiweltcup.TV: Andreas Raffeiner