Maribor/Marburg – Als Ilka Stuhec im Februar 2019 bislang das letzte Mal in ihrer Karriere auf die oberste Stufe eines Podests kletterte, wurde die Slowenin Ilka Stuhec in Schweden gerade zum zweiten Mal zur Abfahrtsweltmeisterin gekürt. Die Speedspezialistin, die in ihrer Laufbahn neun Weltcupsiege, zwei WM-Goldmedaillen und zwei kleine Kristallkugeln gewann, blickt auf eine Saison, die vielversprechend begann und verhältnismäßig bescheiden endete. Nach 17 Weltcup-Platzierungen unter den besten Drei kann man getrost sagen, dass sie über den 17. Platz in der Disziplinenwertung alles andere als erfreut ist.
Stuhec hat das Gefühl, dass sie mehr kann. Es gibt Kommentare, die sie zum Aufhören animieren. Doch die Skirennläuferin will das nicht lesen. Sie hat viel erreicht und will es dem hohen Maß an Kritikern zeigen. Sie will nicht aufhören. In den letzten zwei Jahren hat sie oft an das Ende ihrer Laufbahn nachgedacht. Sie will mindestens noch zwei Jahre fahren und dann überlegen, ob sie noch durchhalten kann. Die 1990 geborene Speedspezialistin weiß nicht, was nach dem Ende ihrer Laufbahn auf sie kommt. Alles hat in ihren Augen einen Anfang und ein Ende. Dessen ungeachtet will sie sich natürlich auch ihre konkreten Ziele und Wünsche erfüllen.
Es hat viele Karrieren gegeben, in denen sich die Athleten mit einem Gefühl der Hilflosigkeit verabschiedet haben. Stuhec denkt nicht darüber nach. Man kann ihr aber auch nicht nehmen, was sie erreicht hat. Sie will sich auch nicht unnötigen Druck auferlegen, und sie weiß, dass eine fehlende Olympiamedaille ein Fakt ist. Im letzten Frühjahr hat die Slowenin einige offene Fragen aus dem vergangenen Winter klären müssen. Die Skirennläuferin wollte die Knöchelverletzung mit ihrer eigenen Sturheit überwinden. Das hat nicht geklappt; sie musste ihre Vorbereitungen anpassen. Als ihre sportliche Welt zusammenbrach, war sie enttäuscht. Sie suchte selbst nach neuen Zielen und brauchte demzufolge Zeit, um ihre Laufbahn fortzusetzen.
Wenn Stuhec von den Welttitelkämpfen in Cortina d’Ampezzo spricht, erzählt, sie dass sie damals viel geweint hat. Unter der Gesichtsmaske und einer Sonnenbrille konnte sie die Tränen einigermaßen verstecken. Sie arbeitete hart auf dieses Rennen hin, und der persönliche Rückschlag sorgte dafür, dass sie lange daran zu knabbern hatte, als es darum ging, ihre Gedanken zu beruhigen und zu ordnen. Damals gingen ihr viele Dinge durch den Kopf, und die Erfolge waren es nicht. Sie sah sich nur als Versagerin und fühlte sich demzufolge sehr schlecht.
Nun hofft die 30-Jährige, im Sommer wieder nach Chile zu reisen. Sie will die bestmöglichen Bedingungen, wenngleich nicht zu jedem Preis, suchen und sich an die Lage anpassen. Man hat in diesem Jahr gesehen, dass das Coronavirus kein unschuldiges Ärgernis ist. Sie trainiert bald auf der weißen Grundlage, und ab Juni stehen drei Monate Fitnesstraining auf dem Programm.
Trotzdem kann die 30-Jährige auf das Erreichte mehr als nur stolz sein. Wenn sie daran denkt, welche Probleme sie bereits aus dem Weg räumte, ist es ihr auch für die Zukunft nicht bange. Ihre Mutter musste einen Kredit aufnehmen, um der Tochter den Traum der Skirennläuferin zu verwirklichen. Ilka hat es ihr mit Leistung und Erfolgen zurückbezahlt. Gemeinsam sind sie diesen Weg gegangen, dafür wird die Slowenin ihrer Mutter immer dankbar sein.
Die Corona-Krise hat dazu beigetragen, dass das Thema Geld wieder, wenn auch untergeordnete Rolle spielt. Ein großer Sponsor hat Stuhec den Rücken gekehrt. Doch die zweifache Abfahrtsweltmeisterin weiß, dass auch der Skirennsport ein Geschäft ist. Nur hat es sie gestört, dass nicht viel gesagt wurde, eine Verlängerung der Kooperation im Raum stand und kurz vor dem Beginn der letzten Saison der Strategiewechsel, gepaart mit der Aussage „Danke für Ihre Zusammenarbeit“, ins Haus flatterte. Folglich will die Slowenin geduldig bleiben und schauen, was auf sie zukommt.
Bericht für skiweltcup.tv: Andreas Raffeiner
Quelle: siol.net
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