Gütersloh, 09. Mai 2019. Spätestens mit seinen beiden Top-10-Platzierungen bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyoengchang hat sich Andreas Sander in der Weltelite der alpinen Speedfahrer festgefahren. Der nacholympische Winter endete für den ehemaligen Junioren-Weltmeister allerdings aufgrund eines Kreuzbandrisses bereits zum Jahreswechsel. Im Interview spricht Sander über den Stand seiner Verletzung, seinen Weg zurück in die Weltspitze und die Situation des DSV im Jahr Eins nach Felix Neureuther.
Herr Sander, wie war es für Sie, die vergangene Saison als Zuschauer miterleben zu müssen? Haben Sie trotzdem alle Rennen angeschaut?
Ich habe jedes Rennen sehr euphorisch verfolgt. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich dabei sein konnte und habe die Erfolge gerne gesehen. Noch lieber wäre ich natürlich mit dabei gewesen, aber es war auch sehr interessant, die Rennen mal aus einer anderen Perspektive zu verfolgen. Ich sehe das positiv und möchte auch dabei möglichst viel lernen, vor allem aber natürlich nächstes Jahr wieder selbst am Start stehen.
Ihre Saison war nach dem Kreuzbandriss in Bormio im Dezember schnell zu Ende, wie geht es dem operierten Knie jetzt?
Sehr gut! Anfang Januar bin ich operiert worden, seitdem sind jetzt gut drei Monate vergangen – die Halbzeit ist also erreicht. Derzeit bin ich in der stationären Reha im Stützpunkt in Oberstdorf. Meine Schwerpunkte liegen zurzeit in der Ansteuerung des betroffenen Beins und der Wiederherstellung der vollen Beweglichkeit. Im Krafttraining kann ich zwar noch nicht wieder die vollen Umfänge mitgehen, aber ab Mai werde ich ganz normal ins radbasierte Konditionstraining meiner Mannschaft einsteigen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Heilungsverlauf und mache große Fortschritte.
Wie sehen die nächsten Monate für Sie aus?
Der Plan sieht so aus, dass ich im Juli das erste Mal wieder auf die Skier gehe und den ersten Schneekontakt habe. Ende Juli will ich dann in das normale Mannschaftstraining einsteigen, damit ich im August den großen und wichtigen Vorbereitungslehrgang in Chile mitmachen kann. Ansonsten mache ich mir noch nicht zu viel Druck, es gilt auch abzuwarten, wie die ersten Schneetage verlaufen, ob das Vertrauen in das Knie sofort wieder da ist. Gerade bei dem letzten Punkt bin ich sehr optimistisch, da es sich anders anfühlt als beim vorherigen Mal, als mir das Kreuzband gerissen war. Ich glaube, dass man aus so einer ersten Verletzung viel lernen kann für den Umgang mit weiteren Ausfällen.
Wann dürfen Sie sich wieder mit Ihren Lieblingsdisziplinen beschäftigen?
Im November steht wie immer für uns Speed-Fahrer in Kanada das erste Rennen an. Das erste Speed-Training werde ich voraussichtlich in Chile machen, darauf freue ich mich natürlich schon. Bis dahin wird es viel Technik-Training sein, Riesenslalom beispielsweise, gerade nach einer Verletzung ist dieser Block sehr wichtig. Momentan ist der erste Skitag deutlich dicker im Kalender eingetragen als das erste Rennen, aber auch dem ersten Rennen sehe ich sehr optimistisch entgegen.
Der vergangene Winter war aufgrund von vielen Ausfällen nicht einfach für den Deutschen Skiverband, zum Ende der Saison hat zudem Felix Neureuther seine aktive Karriere beendet. Wird das etwas für das DSV-Team verändern in der kommenden Saison?
Das wird auf jeden Fall interessant in der nächsten Saison. Felix war eine wichtige Person, nicht nur für den Verband, sondern auch für uns Athleten. Wir haben innerhalb der Mannschaft viel Kontakt, zum Saisonabschluss haben wir uns alle zu den deutschen Meisterschaften getroffen, auch die Verletzten wie Thomas Dreßen und ich. Wir sind jetzt schon sehr motiviert, in der nächsten Saison hoffentlich alle zusammen den Weltcup-Auftakt zu bestreiten. Dazu gibt es zur nächsten Saison mit Andreas Evers, der bisher die Schweizer betreut hat, einen neuen Abfahrts-Trainer im DSV. Unser bisheriger Abfahrtstrainer wird dafür an die Position des Cheftrainers aufrücken. Es ist also einiges neu zur kommenden Saison – ich sehe das gerade nach der Verletzungspause auch als Chance für neue Impulse innerhalb der Mannschaft und des Trainerteams.
Machen Sie sich schon Gedanken über die nächste Wettkampfsaison?
Es gibt kein Großereignis im nächsten Winter, auf das ich unbedingt hintrainieren muss. Stattdessen stehen viele schöne Momente im Rennkalender, Kitzbühl ist natürlich immer ein Highlight für uns Abfahrer. Gerade der Januar ist mein Lieblingsmonat, unter anderem mit den Rennen in Kitzbühl und Wengen. Ich hoffe, dass ich spätestens dort in einer sehr guten Form bin und die guten Ergebnisse der vergangenen Jahre bestätigen kann.
Wen sehen Sie 2019/20 ganz oben auf den Siegertreppchen bei den Speed-Disziplinen?
Einer der großen Topfavoriten für jedes Rennen ist ja zurückgetreten mit Axel Lund Svindal. Aber es gibt noch viele andere starke Fahrer, nicht zuletzt aus Norwegen, wie den jungen Norweger Aleksander Kilde, der bestimmt wieder stark zurückkommt. Kjetil Jansrud war glaube ich auch nicht ganz zufrieden mit der vergangenen Saison, obwohl er Weltmeister wurde. Da sind so die üblichen Verdächtigen, die man auf der Rechnung haben muss. Allerdings gibt es jede Saison ein bis zwei Überraschungen auf den Siegerpodesten, da würde ich mich gerne mal dazu zählen.
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