Innsbruck – Die Österreicherin Petra Kronberger war Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre die beste Skirennläuferin der Welt. In ihrer relativ kurzen Karriere wurde sie 1991 Weltmeisterin in der Abfahrt von Saalbach-Hinterglemm und im Folgejahr zweifache Olympiasiegerin in Albertville. Ferner holte sie sich dreimal die große Kristallkugel. Kronberger war die erste alpine Skirennläuferin, welche in allen fünf Disziplinen als Erste ins Ziel kam.
Ende 1992 gab sie im Alter von gerade einmal 23 Jahren inmitten der Saison ihren Rücktritt bekannt. Dieser Schritt war für viele überraschend. Danach holte sie das Abitur nach und studierte in Salzburg Kunstgeschichte und Germanistik. Später war sie in der Erwachsenenbildung und als Kunstführerin tätig. Seit November 2015 arbeitet sie hauptberuflich als Frauenbeauftragte beim Österreichischen Skiverband, um, so wie es ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel nennt, eine Ansprechpartnerin für die Athletinnen zu sein.
Wir von Skiweltcup.TV sprachen mit Kronberger über ihre sportliche Laufbahn, die Allrounderinnen im Ski Weltcup, ihre Tätigkeit beim „männerdominierten“ ÖSV und vieles mehr. Dabei erfuhren wir, wie wichtig es ist, sich selbst treu zu bleiben, um Träume zu realisieren.
Skiweltcup.TV: Petra, Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre warst du eine der weltbesten Skirennläuferinnen. Du hast alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. In einer Saison hast du binnen kurzer Zeit in allen Disziplinen als Erste abgeschwungen. Umso überraschender war dein plötzliches und für viele allzu frühes Karriere-Ende, das nach Weihnachten 1992 für viel Diskussionsstoff sorgte. Hast du, mit dem Wissen von heute, alles richtig gemacht?
Petra Kronberger: Was den Rücktritt betrifft, so kann ich bis heute, auch aus der Distanz sagen, dass es der richtige Schritt war. Wie die Jahre zuvor verliefen, bis es zu diesem Entschluss kam, da würde ich mit den heutigen Erfahrungen einiges anders machen. Mehr Regeneration, öfter Nein sagen, einen Trainer, der für mich, aufgrund der enormen Anforderungen (alle Disziplinen, Erfolge, Medieninteresse, Druck) ein eigenes Trainingsprogramm ausarbeitet, Medienbetreuer/in, mehr Arbeit im mentalen Bereich und/oder Meditation, um vom Stresslevel immer wieder runter zu kommen, mehr auf mein Gefühl hören.
Du warst eine Allrounderin. Heute sind diese Spezies, wenn man einmal Mikaela Shiffrin aus den USA und Michelle Gisin aus der Schweiz ausklammert, selten geworden. Hängt das mit dem Umstand zusammen, dass früher weniger Rennen ausgetragen worden sind oder werden die Skirennläuferinnen heutiger Tage bereits in ihrer Jugend zu Expertinnen in einer Disziplin herangezogen, sodass ein breiteres Aufstellen schon vor dem Einstig in das Weltcupgeschehen nahezu unmöglich wird?
Das Thema ist sehr komplex. Zum Einen ist für die jungen Läuferinnen der Level in den technischen Disziplinen (Slalom, Riesentorlauf) sehr hoch, sodass von Anbeginn der Fokus stark darauf gelegt wird; zum Anderen spielt auch das Material schon früh (zum Teil im Kindesalter) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das braucht Zeit und Energie, die vielleicht fehlt, um dem Skifahren mehr spielerischen Wert beizumessen, mehr frei zu fahren, über Hügel springen und Wellen drücken, durch Wald und über Buckelpisten kurven. Es wären Möglichkeiten, dem Kind eine breitere Ausbildung zuzugestehen.
Hinzu kommt, dass die Disziplinen mit dem Parallelslalom noch mehr geworden sind. Somit bleibt immer weniger Zeit, um die einzelnen Disziplinen zu trainieren.
Je älter die Läuferin wird, desto mehr spielt das Material eine Rolle. Es gibt mittlerweile unzählige technische Feinheiten, die zu einem noch schnelleren Schwung führen können. Ich hatte früher für technische und schnelle Disziplinen je ein Paar Skischuhe. Heutzutage haben Läuferinnen allein beim Skischuh viel mehr Möglichkeiten. Auch das Skiangebot ist größer geworden. Der eine passt für Kunstschnee, der andere für harten Naturschnee, der dritte für eisige Pisten, der vierte für warmen Schnee, der fünfte für kalten usw. Das wurde bei uns einfacher gehandhabt. Bei uns gab es jedoch auch noch keine Carvingski.
In den letzten Jahren befürchtete ich, dass es die Allrounderinnen bald nicht mehr geben wird. Tatsächlich konnte man sie an einer Hand abzählen. In dieser Saison bin ich überrascht, wie viele Läuferinnen sich auf alle Disziplinen wagen. Shiffrin und Gisin sind nicht mehr allein. Da gesellen sich nun Brignone, Vlhova, Bassino, Holdener, Goggia, Miradoli, Haaser, Siebenhofer und wohl ein paar mehr dazu. Ein Grund dafür könnte der Mehrwert, den die Alpine Kombination gewonnen hat, sein.
Seit November 2015 bist du beim Österreichischen Skiverband als Frauenbeauftragte aktiv. Was können wir über deine Tätigkeitsfelder in Erfahrung bringen und aus welchem Grund ist diese Position in einer von Männern dominierten Szene wichtig? Wie ist die Wahl auf dich gefallen, zumal du ja als studierte Kunsthistorikerin und Germanistin in der Kulturszene und in der Erwachsenenbildung im Einsatz und skimäßig „etwas weit vom Schuss“ warst?
Die Position der Frauenbeauftragten wurde geschaffen, um die Sportlerinnen im Verband zu stärken, um jemanden zu haben, die selbst im Skisport Hochleistung erbrachte, die verschiedenen Stufen durchlief, das System im Österreichischen Skiverband kennt und eine Frau ist. Tatsächlich wird der Skisport von Männern dominiert. Die meisten Trainer sind Männer, ebenso Serviceleute und Journalisten. Nur die Physiotherapeuten/innen sind zum Großteil Frauen.
Meine Position sollte eine neutrale, objektive sein, mit dem Blick von außen. Die keinem Druck bezüglich Erfolge unterliegt, sondern die Möglichkeit hat, soziale Komponenten in den Vordergrund zu stellen. Die sich Zeit nehmen kann und soll, um einfach zuzuhören, zu vermitteln, das große Bild zu erfassen, gewisse Themen wie z. B. duale Karriere anzusprechen, Auskunft zu geben usw.
Was würdest du jungen Mädchen raten, die den Weg als Skirennläuferin einschlagen wollen? Warum sollte man trotz aller Möglichkeiten, die sich auftun, sich immer treu bleiben? Weshalb ist es auch nicht verkehrt, authentisch zu bleiben und eine eigene Meinung, die vielleicht nicht allen passt, zu vertreten?
Ich freue mich immer, wenn ich sehe, das junge Mädchen ein feines Gefühl für sich selbst bewahren und sich getrauen, dem Gegenüber zu sagen, wie es ihnen geht, was sie denken, ihre eigene Meinung haben und bereit für Diskussion sind. Sich selbst treu zu bleiben, bedeutet, immer auf sich selbst zurück greifen zu können. Das Leben bringt mitunter Situationen mit sich, wo man völlig auf sich allein gestellt ist. Das Eigene kennt man, aus ihm kann man Kraft schöpfen, vertrauen. Authentisch zu sein und seine eigene Meinung zu haben hat für mich viel mit Ehrlichkeit sich selbst gegenüber zu tun.
Eine Lebensweisheit als Fazit …
Sich selbst treu zu bleiben ermöglicht, seine eigenen Träume wahr werden zu lassen.
Bericht und Interview für skiweltcup.TV: Andreas Raffeiner