Bezau – Die österreichische Skirennläuferin Elisabeth Kappaurer arbeitet fieberhaft an ihrem Comeback. Sie hatte sich im Vorfeld des Winters 2019/20 beim Trainingsaufenthalt in Südamerika sehr schwer verletzt. Im Skiweltcup.TV-Interview berichtet die Athletin aus dem Ländle, dass sie aufgrund zweier gebrochener Beine sogar zweieinhalb Monate lang im Rollstuhl saß. Nun blickt sie leicht zuversichtlich nach vorne. Die Angehörige des Olympiazentrums Vorarlberg berichtet über ihre schwere Zeit, ihr mögliches Comeback und ihre beste Freundin Ariane Rädler. Sollte alles nach Wunsch und Plan klappen, wird die 25-Jährige Sportlerin aus dem westlichsten Bundesland Österreichs im Januar 2021 auf ihren heiß geliebten Brettern stehen.
Elisabeth, im Vorfeld der Ski Weltcup Saison 2019/20 hast du dir beim Überseetraining im südargentinischen Ushuaia einen Schien- und Wadenbeinbruch im rechten Bein zugezogen, sowie den linken Schienbeinkopf zertrümmert. Somit hast du dich binnen kürzester Zeit zweimal schwer verletzt. Es liegt auf der Hand, dass du kein Rennen im abgelaufenen Winter bestreiten konntest. Dennoch möchten wir von dir erfahren, wie es um deinen Heilprozess aussieht, wie deine Reha-Maßnahmen aussehen, ob ein einfaches Training möglich ist und ob du in etwa einschätzen kannst, wieder auf den Skiern zu stehen?
Ja genau, leider war das die zweite schwere Verletzung innerhalb eines Jahres, und ich muss sagen, dass mir die zweite doch ein bisschen den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Wortwörtlich traf das zu, denn ich saß mit zwei gebrochenen Beinen zehn Wochen im Rollstuhl. Das war eine schwierige Zeit, vor allem weil ich auf einmal auf Hilfe angewiesen war. Einfachste Dinge wie Socken anziehen, Duschen oder einfach nur die Fahrt zur Therapie werden dann zur Herausforderung. Da bin ich sehr dankbar, Familie und Freunde um mich zu haben, die mich in dieser Zeit unterstützten.
Der Heilungsprozess verlief, nach anfänglichen Schwierigkeiten, dann aber doch nach Plan. Der argentinische Nagel in meinem rechten Bein wurde nochmal ausgetauscht, das linke Bein wieder gerade geschraubt und ich konnte nach vier Operationen endlich meine Reha starten. Seitdem arbeite ich täglich, in erster Linie, wieder an einem „normalen“ Alltag. Motivation bringt mir aber täglich der Gedanke an ein neuerliches Comeback im Skirennsport, denn dort möchte ich auf jeden Fall wieder hin.
Leider ist das aber noch sehr weit weg, denn der Plan, den ich mit meinem Arzt ausgearbeitet habe, besagt, dass ich erst Anfang 2021 wieder auf meinen geliebten zwei Brettern stehen darf. Ein bisschen Geduld ist also noch immer gefragt. (zwinkert)
Gab es nach der niederschmetternden Diagnose und dem erfolgreichen chirurgischen Eingriff auch Momente des Zweifels und der Frage nach dem Warum? Und dessen ungeachtet öffnen Schicksalsschläge oftmals Türen. In welche trittst du ein? Kann man eigentlich aus jeder Verletzung etwas Positives sehen?
Naja, ich war eigentlich überhaupt nicht vorbereitet auf noch eine Verletzung. So fit, wie ich im Sommer 2019 auf den Skiern gestanden bin, war ich noch nie. So war ich mega motiviert und fühlte mich wohl. Dann kam der Unfall, und alles, was ich mir elf Monate in der Reha davor erträumt hatte, war wieder für eine lange Zeit unerreichbar. Das war mir auch gleich bewusst, als ich noch im Schnee lag. Aber was wirklich auf mich zukommen sollte, konnte ich in dem Moment (zum Glück) noch nicht erahnen.
Ein argentinisches Krankenhaus, der 30-stündige Rücktransport nach Österreich, die vielen Operationen, der Rollstuhl, dann die Krücken, die Ungläubigkeit, die Hilflosigkeit,… Es war eine Achterbahnfahrt der Gefühle durch Höhen und Tiefen.
Deshalb war ich am Anfang auch ein bisschen froh, dass ich mit dem Rollstuhl ein bisschen Zuhause festgesessen bin, denn die ganzen Ereignisse brauchten schon ein bisschen Zeit, um verarbeitet zu werden.
Natürlich habe ich mir, wohl oder übel, auch ein paar Gedanken gemacht, wie ich mir meine Zukunft vorstelle, denn jetzt wusste ich ja, wie schnell so eine Karriere als Profisportler vorbei sein kann. Da bietet mir das österreichische Bundesheer, wo ich als Sportlerin angestellt bin, die Möglichkeit, neben meiner Reha, die ich im Olympiazentrum Vorarlberg absolviere, ein Studium zu absolvieren. Diese Chance habe ich ergriffen, um mich ein bisschen von all den körperlichen Aufgaben, die täglich auf mich zukommen, abzulenken.
Wir Sportler leben für die Aufgabe, den schnellsten Schwung vom Start bis ins Ziel zu finden, die Suche nach ein paar Hundertstel, das Bewegen am Limit. Da passieren Verletzungen. Natürlich sind sie, gerade in diesem Ausmaß, nicht immer leicht zu verkraften, aber ich glaube, dass gerade mich diese Zeit als Mensch geprägt hat. Ich habe gelernt zu schätzen, was es heißt, gesund zu sein, eine hilfsbereite Familie und Freunde zu haben und nicht zuletzt habe ich gelernt, was es für ein Privileg ist, diesen Sport ausüben zu dürfen, das Hobby zum Beruf machen zu können. Jeden Tag auf der Piste zu stehen und am Morgen die ersten Schwünge ziehen zu können, sich jeden Tag am Limit zu bewegen.
Auch wenn der Leistungssport im Vergleich zum Breitensport oftmals sehr intensiv ist und darüber hinaus eher anfälliger für Höhen und Tiefen ist, möchten wir von dir wissen, weshalb Leistungssport eine gute Schule fürs Leben ist? Was kann man alles für das Leben mitnehmen und warum ist es auch abseits der Skipiste für Werte wie Gemeinsinn, Solidarität, Handschlagqualität und Zusammenhalt zu stehen, selbst wenn man im Skisport in der Gruppe trainiert und doch Einzelsportler bleibt…
Wenn man vom Leistungssport Ski alpin spricht, ist das natürlich in erster Linie ein Einzelsport, bei dem die Leistung vom Start bis ins Ziel zählt. Aber ich habe gelernt, was es heißt, Rückschläge einzustecken, wie schön dann auch Erfolg sein kann, was es heißt, immer wieder aufzustehen und dabei aber nie den Mut bzw. die Motivation zu verlieren und nicht zuletzt wunderschöne Orte auf der Welt besuchen zu können und sich doch immer wieder auf Zuhause zu freuen.
Da bin ich schon froh, dass mich und meine beste Freundin Ariane (Rädler, Anm. d. Red.) die gleiche Leidenschaft verbindet. So habe ich immer ein bisschen Zuhause auch auf den Reisen dabei, denn die Zeit, die wir unterwegs sind – und das sind etwa 200 Tage im Jahr – wird der Skisport ein bisschen zum Teamsport, bei dem wir als „große Familie“ von einem Weltcuport zum nächsten pilgern und die Mitglieder der Trainingsgruppe öfters sehen als unsere eigene Familie.
Elisabeth Kappaurer schaut zuversichtlich und mit einem zufriedenen Lächeln auf den Ski-Winter 2020/21 zurück, wenn …
Das Wichtigste für den kommenden Winter ist, dass ich nach fast zweieinhalb Jahren Reha gesund und möglichst schmerzfrei auf meine zwei Bretter, die für mich die Welt bedeuten, steigen kann. Obwohl es am Anfang sicher noch keine Rennskier sein werden, hoffe ich, dass ich bald wieder bei meiner zweiten Familie dabei sein kann. Bis dahin wartet aber noch ein kleiner Berg Arbeit auf mich, der mir Geduld und das Leben abseits der Pisten lehren wird.
Bericht und Interview für Skiweltcup.TV: Andreas Raffeiner