Bevor sich die ÖSV-Technik-Damen am 20. August nach Argentinien aufmachten, wo sie in den kommenden Wochen in Ushuaia trainieren werden, hatte Skiweltcup.TV die Gelegenheit, ein ausführliches Interview mit Katharina Gallhuber zu führen.
Gallhuber zog sich im Sommertrainingslager 2022 des ÖSV-Teams in Argentinien eine schwere Knieverletzung zu. Bei dem Unfall riss sie sich das Kreuzband im linken Knie und verletzte sowohl den Außen- als auch den Innenmeniskus. Für Gallhuber war die WM-Saison damit beendet, bevor sie überhaupt beginnen konnte. Es handelte sich dabei um die zweite schwere Knieverletzung innerhalb von dreieinhalb Jahren. Nun hat die Österreicherin ihr Schnee-Comeback gefeiert.
Skiweltcup.TV: Du hast vor Kurzem dein Schnee-Comeback gefeiert und es als erfüllend und emotional bezeichnet. Kannst du uns mehr über dieses Erlebnis erzählen? Wie hast du diese erste Skifahrt nach so langer Zeit erlebt?
Katharina Gallhuber: Zurück auf den Schnee zu kommen, war sehr emotional für mich. Es ist einfach ein langer Weg zurück gewesen, der teilweise auch sehr holprig war. Man trainiert täglich auf das Ziel hin, das zu tun, was man am liebsten macht – für mich ist das definitiv Skifahren. In dieser Zeit habe ich erneut gesehen, wie groß meine Leidenschaft für diesen Sport ist. In solchen Situationen wird man schon sehr dankbar, dass man das Ganze zu seinem Beruf machen kann. Als ich dann in Sölden zum ersten Mal wieder oben stand, war es ein absoluter Premium-Tag: Blauer Himmel, perfekte Pistenbedingungen. Da sind mir die Tränen runtergekullert, weil für mich das Gefühl da war: „Ich bin jetzt zurück, der ganze Aufwand hat sich gelohnt.“ Es war einfach ein Gänsehautmoment. Besonders erfreulich war es für mich, dass ich gleich wieder den vollen Umfang fahren konnte. Natürlich beginnt man zuerst mit Freifahren, aber alles hat sofort super funktioniert, und das hat mich sehr positiv gestimmt.
Du hattest zwei schwere Knieverletzungen in relativ kurzer Zeit. Wie hat dich das verändert, sowohl als Athletin als auch persönlich?
Katharina Gallhuber: Natürlich sind zwei solche Verletzungen sehr einschneidende Momente in einer Karriere. Es ist schwer, außer Gefecht gesetzt zu werden und gezwungenermaßen pausieren zu müssen, obwohl man jeden Tag für seine Ziele trainiert. Da verschieben sich einige Prioritäten. Mein großes Ziel ist es, auf dem Podium zu stehen und Weltcuprennen zu gewinnen. Aber was ich aus der letzten Verletzung gelernt habe, ist, dass ich mich zu sehr unter Druck gesetzt habe. Dies möchte ich nun anders handhaben. Ich will wirklich Schritt für Schritt vorangehen und mich kontinuierlich verbessern. Erst wenn ich ein bestimmtes Level erreicht habe, will ich den nächsten Schritt machen. Ich will nichts überspringen, denn sonst zwingt man sich oft in Situationen, die das Ganze nicht einfacher machen. Das zu erkennen hat mich sicherlich auch persönlich verändert. Ich habe gelernt, besser einzuschätzen, was mir guttut, was mir nicht guttut, was ich brauche und was ich nicht brauche. Solche Situationen lehren einen sehr viel.
Du musstest die gesamte Saison 2022/23 wegen der erneuten Verletzung aussetzen. Wie hast du diese Zeit genutzt und wie gehst du mit Rückschlägen um? Welche Strategien hast du entwickelt, um mental stark zu bleiben?
Katharina Gallhuber: Da die Verletzung in der Vorbereitung passiert ist, war ich in der Ski-Weltcup-Saison 2022/23 außer Gefecht. Das war natürlich ein Schlag ins Gesicht. Man hat Ziele vor Augen und Großes vor, und bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich richtig wohlgefühlt. Natürlich ist man dann am Boden zerstört, aber ich hatte meine Familie, meine Freunde, und auch die Unterstützung der Trainer, die ich stark im Rücken gespürt habe. Das hat mich wieder positiv gestimmt. Ich bin, Gott sei Dank, ein Mensch, der positiv denkt, und ab dem Zeitpunkt der Operation ging es für mich nur noch vorwärts. Was kann ich tun, um schnellstmöglich wieder fit zu werden? Ich habe auch Mentaltraining gemacht und die Rennen verfolgt, was für mich sehr wichtig war. Ansonsten stand tagtäglich zuerst die Reha und dann das Training auf dem Programm, und zwischendurch habe ich mir einen Urlaub mit meinen Liebsten gegönnt. Das hat mir auch neue Energie gegeben.
Du betonst die Wichtigkeit, schrittweise vorzugehen und den Druck auf dich selbst zu minimieren. Wie gehst du dabei mit den Erwartungen um, die von anderen und von dir selbst an dich gestellt werden?
Katharina Gallhuber: Ich denke, den größten Druck macht man sich immer selbst. Wir stehen in der Öffentlichkeit, und von außen wird viel erwartet. Wenn ich jedoch bei mir bleibe – und damit meine ich, nicht nach links und rechts schaue – dann ist das eine Sache, die ich gelernt habe. Es ist wichtig, dass ich meinem Körper vertraue und zu 100 % frei am Start stehe. Jeden Druck, den ich von außen bekomme, möchte ich so gut wie möglich ins Positive umwandeln und an mir abprallen lassen. Mit den Trainern und dem gesamten Umfeld ist abgesprochen, dass wir alle an einem Strang ziehen, und das ist sehr wichtig.
Welche Rolle spielt das intensive Konditionstraining in deiner Vorbereitung für die nächste Saison?
Katharina Gallhuber: Das Konditionstraining ist unglaublich wichtig für uns alle, unabhängig davon, ob man von einer Verletzung zurückkommt oder nicht. Es ist essentiell, körperlich fit zu sein und hundertprozentiges Vertrauen beim Skifahren zu haben. Deshalb hat das Konditionstraining einen sehr hohen Stellenwert in meiner Vorbereitung. Wenn man körperlich topfit ist, kann man auch Verletzungen vorbeugen. Unser Sport ist sehr vielseitig: Egal ob es um Ausdauer, Kraft, Koordination oder Gleichgewicht geht, je besser man in diesen Bereichen vorbereitet ist, desto leichter fällt es einem, die gesteckten Ziele auf der Piste umzusetzen.
Wie sehen deine aktuellen Trainingspläne aus und welche Ziele hast du dir für die nächste Saison gesetzt? Dein großes Ziel ist es, auf dem Podium zu stehen und Weltcup-Rennen zu gewinnen. Wie ist dein Plan, um dieses Ziel zu erreichen?
Katharina Gallhuber: Wie ich schon sagte, ist es mein großes Ziel, Weltcuprennen zu gewinnen oder auf dem Podium zu stehen. In den Jahren zuvor war ich diesem Ziel bereits sehr nahe. Allerdings wird dies nicht das primäre Ziel für die kommende Saison sein. In der Situation, in der ich mich aktuell befinde, ist es zunächst wichtig, dass ich mir zutraue, einen Slalom voll zu attackieren und in einem Riesentorlauf ohne zu zögern jedes Tor anzugehen. Das ist erst einmal das vorrangige Ziel. Aktuell legen wir den Fokus auf die skitechnische Entwicklung und betreiben parallel dazu intensives Konditionstraining, um Kraft zu tanken. Mein kurzfristiges Ziel ist es, in Levi mit viel Selbstvertrauen am Start zu stehen und von Beginn an bis zum letzten Tor die engste Linie zu wählen und zu attackieren. Zunächst möchte ich mich in den Top 30 des Ski Weltcups etablieren, um mich dann Schritt für Schritt nach oben zu arbeiten.
Welche Rolle spielt deine Familie in deiner Karriere und wie unterstützen sie dich? Wie sehr hat dich dein Bruder Philipp, der selbst als Trainer im Fußball tätig ist, beeinflusst?
Katharina Gallhuber: Meine Familie ist extrem wichtig für mich. Sie stehen immer hinter mir, stärken mir den Rücken und geben mir stets positive Energie. Das ist nicht nur im Falle einer Verletzung wichtig, sondern auch während der gesamten Saison. Bei meiner Familie habe ich das Gefühl: Hierher gehöre ich, hier kann ich sein wie ich bin und Energie schöpfen. Mein Bruder und ich sind sehr eng miteinander verbunden und stehen täglich in Kontakt. Er ist mit seiner positiven, lebensfrohen Art ein sehr wichtiger Part, der immer hinter mir steht. Ich glaube fest daran, dass man nur gemeinsam stark sein kann, und in diesem Zusammenhang spielen meine Familie und mein Bruder eine zentrale Rolle.
Was sind Deine langfristigen Ziele im Skisport und wie planst Du, diese zu erreichen?
Katharina Gallhuber: Die langfristigen Ziele sind, wie bereits erwähnt, auf dem Podium zu stehen und Rennen zu gewinnen. Die Heim-WM in Saalbach steht vor der Tür, und bei Olympia möchte ich eine Medaille gewinnen. Ich weiß, wie sich das anfühlt, und dafür werde ich auch tagtäglich hart arbeiten. Ich bin ehrgeizig und diszipliniert. Trotzdem ist es für mich auch sehr wichtig – und hierbei tue ich mich manchmal schwer – dem Körper die notwendigen Pausen zu gönnen. Es ist essentiell, sich zu regenerieren, um danach wieder stärker zu sein. Dies alles – Koordination, Kondition und Skifahren – gilt es in Einklang zu bringen und das Bestmögliche herauszuholen. Ich bin überzeugt, dass ich so meinen Weg gehen und meine Ziele erreichen kann.
Du stammst aus Göstling an der Ybbs, einem Ort, der viele erfolgreiche Skirennläufer hervorgebracht hat. Wie hat dieses Umfeld Deine Laufbahn beeinflusst?
Katharina Gallhuber: Schon sehr. Ich komme aus Göstling, und hier lernt man Skifahren schon als kleines Kind. Es gehört hier ebenso dazu wie Fußball und Tennis. Die Leidenschaft dafür habe ich hauptsächlich deshalb entwickelt, weil alle meine Freunde auch im Skiclub waren. Unser Skiclub ist sehr aktiv und das Training hat immer Spaß gemacht. Diese großartigen Trainingsmöglichkeiten und die starke Gemeinschaft im Club haben mir gerade in den ersten Jahren den Weg geebnet und meine Begeisterung für den Skisport geweckt. Mit Kathrin Zettel, die ebenfalls aus unserem Ort stammt, hatte ich zudem ein Vorbild zum Anfassen. Früher dachte ich mir oft, wie ist das möglich? Sie fährt im Fernsehen Rennen und am nächsten Tag sehe ich sie schon wieder in Göstling. Das hat mich sehr beeindruckt und so habe ich mir schon in jungen Jahren das Ziel gesetzt, im Ski Weltcup zu performen.
Du hast bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang die Bronzemedaille im Slalom gewonnen. Wie hat sich dieser Erfolg auf Dein Selbstvertrauen ausgewirkt?
Katharina Gallhuber: Es war damals für mich unglaublich emotional und ist es noch immer, wenn ich die Bilder betrachte. Es ist ein Gänsehautmoment, in den ich mich immer wieder hineinversetzen kann. Dieser Erfolg ist etwas, das mir niemand mehr nehmen kann und das ich in sehr jungen Jahren als Rennläuferin erreicht habe. Die Bronzemedaille im Slalom und die Silbermedaille mit der Mannschaft bei den Olympischen Spielen verleihen mir Selbstvertrauen. Sie sind ein Beweis dafür, dass ich es schon einmal geschafft habe. Ich muss zugeben, dass die Medaillen in meinem Schlafzimmer hängen. Ich berühre sie regelmäßig, um mich daran zu erinnern, dass solche Erfolge erreichbar sind. Aus der Perspektive eines Sportlers ist es enorm wichtig, an sich selbst zu glauben, denn genau dieses Selbstvertrauen kann oft der Schlüssel zum Erfolg sein. Die Bronzemedaille im Slalom ist ein besonders prägender Moment in meiner Karriere gewesen. Sie macht das Ganze greifbar und gibt mir Zuversicht für das, was noch vor mir liegt.
Offizieller FIS Skiweltcup Kalender der Herren Saison 2023/24
Offizieller FIS Skiweltcup Kalender der Damen Saison 2023/24